Baltrumer Bitter (German Edition)
gar
nichts. Ich frage nur.«
Kommissar Kleemann hatte wieder Platz genommen. »Ich allerdings
frage mich, was dort am Verschluss Ihrer Aktentasche klebt? Blut? Haare? Und
wenn ja, woher?«
Wybrands zuckte zusammen: »Wieso?« Instinktiv schob er seine
Tasche mit dem Fuß unter den Tisch.
»Ich halte diese dunklen Flecken für Blut. Und solche Dinge
interessieren mich von Amts wegen.« Kleemanns Stimme war schärfer geworden.
»Wenn Sie mir bitte Ihre Tasche zeigen würden …!«
Jan Wybrands bückte sich nach seiner Tasche. Er war versucht,
das Blut und die Haare abzuwischen, wusste im gleichen Moment, wie sinnlos
diese Aktion wäre.
»Also, woher?«
»Ich weiß es nicht. Echt nicht. Ich trage diese Tasche immer
bei mir. Da kommt die schon mal hier und da mit was in Berührung. Ich bin
Bauunternehmer und kein Buchhalter!«, versuchte er eine lahme Ausrede. Dass er
aber auch die Tasche vorher nicht gesäubert hatte! Er hätte sich ohrfeigen
können für seine Nachlässigkeit. Aber: Er war eben Bauunternehmer – und kein
gelernter Verbrecher.
»Dann hätten Sie sicher nichts dagegen, wenn eine Spezialistin
der Spurensicherung sich Ihrer Tasche annimmt und ein paar Proben nimmt, oder?«
Kleemann nickte der jungen Frau zu, die bereits aufgestanden war und mit zwei
Plastiktüten in der Hand auf ihn zukam.
»Sie entschuldigen?«
Verblüfft schaute Wybrands auf die leere Stelle, an der bis
gerade noch seine Tasche gelegen hatte. Möglichst gleichmütig versuchte er ein
»Wenn Sie meinen …« und war froh, dass er keine wichtigen Unterlagen
dabeihatte. Seine alte braune Thermoskanne und das Schächtelchen mit dem
Kluntje würden wohl kaum die Aufmerksamkeit der Ermittler beanspruchen. Und
immerhin – das Blut seines Sohnes würden sie an seiner Tasche vergeblich
suchen.
Nach ein paar Minuten schob die Frau die Tasche wieder über den
Schreibtisch.
»Wissen Sie wirklich nicht, ob ihr Sohn sich im Laufe des Tages
noch einmal mit dem Bürgermeister getroffen hat?«, holte ihn Kleemanns Stimme
aus seinen Gedanken.
»Nein, weiß ich nicht. Kann ich jetzt gehen?« Bei dem Wort
»Bürgermeister« begann sein Magen zu rumoren und löste Fluchtgedanken aus.
»Wo können wir Sie erreichen?«
»Keine Ahnung. Meine Handynummer haben Sie. Ich weiß nicht, ob
ich heute Nacht auf der Insel bleibe oder mit der Spätfähre zurückfahre. Muss
mich morgen schließlich um die Beerdigung kümmern. Bestattungsunternehmer
aufsuchen und so. Er kann doch beerdigt werden, oder?«
»Natürlich. Wir geben Ihnen Bescheid, wann Ihr Sohn von der
Staatsanwaltschaft freigegeben wird. Bitte teilen Sie uns Ihren Aufenthaltsort
zeitnah mit.«
Jan Wybrands verabschiedete sich von den Polizisten, nickte der
Frau zu und verließ fast panikartig die Wache. Der Bürgermeister … Warum hatte
der Mann nicht bei der Polizei angerufen, nachdem er ihm mit der Aktentasche
eine geknallt hatte? Was hatte der zu verbergen? Könnte es sein, dass der Mann
abends noch mit Frank zusammengetroffen war? Warum hatte Lohmann ihm dann aber
nichts davon erzählt? Er musste ihn unbedingt noch mal fragen. Aber dafür
musste er den Bürgermeister erst einmal finden. Andererseits war es die Aufgabe
der Polizei, zu ermitteln, wer seinen Sohn umgebracht hatte. Wybrands schaute
auf die Uhr. Vermutlich würde er das Schiff noch bekommen. Aber der Wunsch,
Licht ins Dunkel zu bringen, war größer. Außerdem war da noch Dunja.
Energisch machte er sich erneut auf den Weg zum Rathaus.
*
»Wenn ich verdammt noch mal bloß wüsste, wer hier die
Wahrheit sagt«, wetterte Arndt Kleemann. »Der Wybrands erklärt das ganze
Bauprojekt zum Testobjekt. Die Bartels behauptet, der Visser hätte tot in der
Ferienwohnung gelegen. Die Ufken sagt, der Visser sei blutüberströmt nach Hause
gekommen, was Frau Steenken bestreitet. Der Bürgermeister spinnt sowieso und
will uns glauben machen, dass der Steenken der ideale Mörder wäre. Die Tochter
der Steenken wird unter Verschluss gehalten und wir kommen kein Stück weiter.
Und Hunger habe ich auch.«
»Ich frage mal unsere Wirtin, ob es bei ihr noch etwas zu essen
gibt.« Berend Luiken stand auf. »Wir können hier im Moment sowieso nicht weg, solange
Michael noch nicht wieder da ist. Die ersten Obduktionsergebnisse müssten außerdem
in absehbarer Zeit auf dem Tisch liegen.«
Kleemann nickte zufrieden. Wenigstens würde er hier was
Vernünftiges bekommen. Nicht wie so oft bei seinen Ermittlungen den Hunger mit
Burgern und
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