Baltrumer Bitter (German Edition)
eine junge Frau
den Inhalt eines Aschenbechers übers Baguette gekippt!«
»Frau Ufken!«
Michael Röder schüttelte den Kopf. »Kann nicht. Die Frau hatte
rote Haare. Sagt die Bedienung, die den Dreck dann hinterher entsorgen musste.
Die war sich auch völlig sicher, dass es der Visser war, der mit dem BM einen genommen
hat. Sie hat ihn auf dem Foto sofort wiedererkannt und gesagt: ›Ist schon irre,
was manche Menschen so vertragen. Meine Kollegin hat einen Schnaps nach dem
anderen einschenken müssen. Und immer hat der Mann auf dem Foto bezahlt.‹ Dann
hat sie noch erklärt, dass das allerdings nichts Ungewöhnliches sei. Wen der
Lohmann erst mal in den Fingern habe, den lasse der so schnell nicht los. Sie
könne sich kaum erinnern, dass der überhaupt mal etwas bezahlt habe.«
»Die Bartels!« Auf Kockwitz’ Gesicht machte sich ein Grinsen
breit. »Schau mal einer an. Ausgerechnet die, die ihrer Freundin eine Anzeige
wegen Mordes angehängt an. Wie pervers ist das denn?«
Doch Kleemann sagte ruhig: »Das ist nicht der erste und nicht
der letzte Fall, wo so was passiert. Aber warum genau sie das gemacht hat, will
ich mir lieber persönlich anhören.« Er griff zum Telefon und gab die Nummer von
Frau Bartels ein.
Bevor er ein Wort sagen konnte, schallte ihm ihre Stimme
entgegen: »War sie es?«
»Sie wissen selbst, dass Sie uns nur die halbe Wahrheit erzählt
haben. Wenn überhaupt. Wie war das mit den Kippen auf dem Brot?« Diesmal hörte
Kleemann nichts als Schweigen. »Ich möchte Sie auf der Stelle im Hotel Sonnenstrand sehen, Frau Bartels.«
»Ich sitze auf der Fähre, und die legt gleich ab.«
»Dann sehen Sie zu, dass Sie da wieder runterkommen. Mein
Kollege wird Sie abholen.« Arndt Kleemann hatte das Gefühl, dass ihm sämtliche
Protagonisten in diesem Fall aus der Hand zu gleiten drohten. Sie lügen,
dass sich die Balken biegen , dachte er verstimmt. Hauen ab, wann es
ihnen passt. Beschuldigen alle anderen, und wir, die blöden Bullen, sollen dann
sehen, dass wir Ordnung in die Angelegenheit kriegen. Klasse Job.
»Essen geht in Ordnung. Frau Ahlers zaubert uns was.« Berend
Luiken schaute seinen Kollegen fröhlich an, doch die Antwort machte ihm klar,
dass die Mahlzeit wohl noch eine Weile auf ihn warten musste. Oder umgekehrt.
»Ich will die Bartels hier sehen«, bestimmte Kleemann. »Berend,
du fährst ihr Richtung Fähre entgegen und sorgst dafür, dass unsere Zeugin hier
ankommt. Danach will ich den Bürgermeister am Tisch haben. Ich hoffe nur, dass
der nicht schon wieder auf Alkoholvernichtungstour ist. Hast du seine
Handynummer?«, fragte er Michael Röder.
»Nein, aber ich kann Thea Holle anrufen. Seine Sekretärin. Die
hat sie bestimmt. Ansonsten suche ich die Buhnen und die Kneipen ab.« Röder
schaute auf die Uhr. »Gleich acht. Zwei Stunden ist es mindestens noch hell.
Tippe mal auf Buhne.«
*
Den Riss in seiner Wange
hatte er notdürftig versorgt. Er. Natürlich war Thea Holle mal wieder nicht an
ihrem Platz gewesen. Wenn man sie einmal brauchte. Und so was schimpfte sich
Sekretärin des Bürgermeisters. Für einen Moment hatte er überlegt, sich ins
Bett zu legen und seinen schmerzenden Kopf zu pflegen, doch als er auf seine
präparierten Lieblinge blickte, war ihm klar: Nur eines würde ihn aus seiner
trüben Stimmung reißen können.
Vorsichtig Fuß vor Fuß setzend stieg Enno Lohmann die Schräge
hinunter, die ihn zu seiner Lieblingsbuhne führte. Die Steine waren hier und da
noch ein wenig feucht, und er hatte keine Lust auf eine weitere Verletzung.
Ohnehin hatte er genug damit zu tun, seine Utensilien sicher auf den Buhnenkopf
zu bringen. Da waren die beiden Angeln, der Hocker, die Dose mit den Würmern
und nicht zuletzt der Eimer für seinen Fang. Er würde sich überlegen müssen, ob
er Immo nicht für wenig Geld dafür anheuern könnte, demnächst bei Bedarf die
Sachen vorab auf der Buhne aufzubauen. Je mehr er darüber nachdachte, desto
mehr begeisterte ihn die Idee.
Am Fuß der Strandmauer angekommen, legte Lohmann seine Sachen
ab. Für einen Moment musste er einfach mal nur Luft holen.
Plötzlich merkte er, dass er nicht mehr allein war. Überrascht
betrachtete er Arnold Steenken, der sich mit einem Knüppel in den Händen vor
ihm aufbaute. Wie ein Neandertaler. Lächerlich. »Was willst du?«, schnauzte er
ihn an.
»Ich will die Wahrheit wissen«, sagte der Mann leise. Doch
seine Stimme klang hart. Drang bedrohlich unter die Haut. »Sag mir die
Wahrheit, oder es
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