Baltrumer Bitter (German Edition)
meine: gekämpft hätte. Meinen Sie, der
Streit könnte später noch eskaliert sein? Wissen Sie schon, wo sich die beiden
Frauen abends aufgehalten haben?«
»Könnten Sie sich denn bei Ihrer Mitarbeiterin vorstellen, dass
sie zu einem Mord fähig wäre?«, lautete Kleemanns erschreckende Entgegnung.
»Natürlich nicht. Aber ihre Freundin, die kenne ich nicht. Wer
weiß? Man muss doch allen Spuren nachgehen. Das tun Sie doch, oder?« Jan
Wybrands versagte die Stimme. Bloß nicht heulen. Diese Blöße würde er sich vor
den beiden Polizisten nicht geben.
»Natürlich tun wir alles, was in unserer Macht steht«, sagte
Luiken. »Aber wir sind auch auf Ihre Mitarbeit angewiesen, wie es so schön
heißt. Bitte überlegen Sie noch einmal ganz genau: Gibt es noch etwas, was Ihr
Sohn am Telefon gesagt hat? Mit wem hat er gesprochen? Was hatte er noch vor?«
Wybrands ließ sich das Gespräch noch einmal durch den Kopf
gehen, dann sagte er: »Er wollte sich, glaube ich, ein zweites Mal mit dem
Bürgermeister unterhalten. Er hat das Projekt sehr ernst genommen. Wäre ich
doch bloß nicht auf diese blöde Idee gekommen, die beiden hierher zu schicken.
Dann könnte mein Sohn noch leben.« Jetzt liefen doch noch Tränen über seine Wangen.
»Weiß Frau Ufken, dass Herr Visser Ihr Sohn ist?«
»N… nein, das weiß keiner.« Er räusperte sich, und seine Stimme
klang wieder fester. »Ich wollte erst einmal in Ruhe austesten, ob er sich für
mein Geschäft eignet. Er sollte sich reinarbeiten ohne den Sohn-Bonus. Wenn
alles gut gegangen wäre, hätte ich den Mitarbeitern immer noch sagen können,
was Sache ist.«
»Sie sind also ganz sicher,
dass Frau Ufken nichts weiß?«
Irritiert schaute Wybrands den Kommissar an. »Ich habe dumpf
das Gefühl, dass Sie sich hier tatsächlich auf Klara einschießen, oder sehe ich
das verkehrt? Selbst wenn sie es wüsste, warum sollte sie ihn umbringen?«
»Haben Sie nicht eben selbst gesagt, wir sollten allen Spuren
nachgehen? Und genau das machen wir. Allen Spuren!«, sagte Kommissar Kleemann
eindringlich.
»Okay, ich weiß es nicht hundertprozentig sicher, aber ich
glaube es nicht.« Er dachte daran, dass auch er von ihrer lesbischen Beziehung
gewusst hatte, obwohl sie ihm nie davon erzählt hatte.
»Ihr Sohn hat übrigens mit Herrn Steenken gesprochen, wissen
Sie das? Über das Häuschen im Ostdorf. Er wolle es für sich und Frau Ufken
kaufen, hat er ihm weisgemacht. Es sei so romantisch. Genau das, was sie seit
Langem gesucht hätten.«
Wybrands zögerte. Wie sollte er jetzt am besten reagieren? »Ja,
das hörte ich. Da ist er wohl ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen, nicht
wahr? Schließlich war das Ganze, wie ich schon sagte, nur ein Testlauf. Er
hätte besser vorher mit mir Rücksprache gehalten.« Das hätte er tatsächlich tun
sollen, schoss es Wybrands in den Sinn. Es könnte sich jetzt als Knackpunkt
erweisen, an dem sein Projekt scheitern würde. Wenn dieser Steenken völlig bedient
nichts mehr von einem Verkauf wissen wollte, weil ihm klar wurde, wie er von
Frank hinters Licht geführt worden war, dann konnte Wybrands das Hotel
vergessen. Und dass dieser Mann bei jedem neuen potenziellen Käufer nun erst
recht schauen würde, wo der herkam, war nur logisch. Also brauchte er auch
keinen Strohmann zu Steenken zu schicken. Das würde bei dem nicht funktionieren.
Jan Wybrands hielt sich für einen Visionär. Gleichzeitig war er
bodenständig genug, um zu sehen, wann etwas gescheitert war. Langsam begann er,
den Hotelneubau aus seinen Gedanken zu streichen. Es sei denn, Hanefeld hätte
noch einen anderen Tipp für ihn. Aber so wie der drauf war, konnte man mit dem
im Moment nicht rechnen.
»Arndt, würdest du mal bitte kommen?«, unterbrach die junge
Frau seine Gedanken. »Ich hätte da was.«
»Entschuldigen Sie mich für einen Moment«, sagte der Kommissar
und stand auf.
Dann fragte Luiken: »Wann sind Sie auf die Insel gekommen?«
»Heute mit der Fähre am frühen Vormittag. Nicht schon gestern.
Ich habe meinen Sohn nicht umgebracht, wenn Sie das meinen«, antwortete
Wybrands genervt. Er wollte weg, einfach irgendwohin, wo er seine Ruhe hatte.
Und nachdenken konnte. Unabhängig von der Polizei seine Schlüsse ziehen über
das, was Klara ihm berichtet, sein Sohn ihm am Telefon erzählt und die Polizei
ihn gefragt hatte. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn die Sache nicht
aufgeklärt würde.
»Wie schon erwähnt«, sagte der Polizist ruhig. »Ich meine
Weitere Kostenlose Bücher