Baltrumer Bitter (German Edition)
Fertigpizzen stillen müssen. Seit dem ersten Todesfall, zu dem er
vier Jahre zuvor auf die Insel gerufen worden war, waren Arndt Kleemann und
seine Leute regelmäßig einmal im Jahr im Sonnenstrand zu Gast. Immer
dann, wenn ein Mordfall auf der Insel passierte. Irgendwann, so schwor er sich,
würde er mit seiner Wiebke seinen Urlaub in dem Hotel verbringen. Einen
richtigen Urlaub. Nicht nur die drei Tage während seiner Hochzeitsreise, die
er, wie das Schicksal es wollte, ermittelnd auf der Wache verbracht hatte.
»Bring mir eine Cola mit. Zum Aufputschen«, lächelte Kleemann.
Als Luiken fort war, genoss Kleemann die Ruhe, die für einen
Moment in dem zum Ermittlungsbüro umfunktionierten Partyraum des Hotels eingekehrt
war. Was für eine verworrene Situation. Keiner wollte sich in die Karten
schauen lassen. Selbst Wybrands, der offensichtlich um seinen Sohn trauerte,
sagte nicht die Wahrheit. Aus welchen Gründen auch immer. Niemandem aus dem
Umfeld des Toten schien klar zu sein, welch eine Gefahr von einem frei
herumlaufenden Mörder ausging. Wenn es denn Mord gewesen war. Aber das würde
sich vermutlich bald herausstellen.
Sein Handy klingelte. Gleich darauf war klar, dass Frank Visser
tatsächlich keinem Unfall zum Opfer gefallen war. »Gerade sind die ersten
Untersuchungen durch«, berichtete Kleemann seinen Kollegen und wiederholte mit
knappen Worten, was der diensthabende Arzt ihm soeben mitgeteilt hatte.
»Schwerer Schlag auf den Hinterkopf. Hämatome im Gesicht – zumindest in dem
Teil, den die Krähen übrig gelassen haben. Außerdem jede Menge Alkohol im Blut.
Kräuterbitter. So viel konnten die Mediziner noch feststellen. Aber ehrlich gesagt
– so wie der gestunken hat, war klar, dass der besoffen gewesen ist.«
»Noch irgendwas Auffälliges?«, fragte Klaus Kockwitz.
»Ja. Der ganze Oberkörper war voller roter Druckstellen, die
sich die Kollegen nicht so richtig erklären konnten.« Kleemann überlegte. Dann
kam ihm die Idee. »Der ist doch draußen von dem Tornado überrascht worden.
Michael hat gesagt, die Hagelkörner wären so groß wie Tischtennisbälle gewesen.
So was hinterlässt bestimmt Spuren.«
Kockwitz nickte. »Also sind diese Spuren für uns nicht
relevant. Der Tornado war gestern Mittag. Danach war Visser noch am Leben.
Kommen wir zurück auf die Leute, die als Letzte mit Visser zu tun hatten. Und
da wäre sein Vermieter mein Favorit.« Er lief dozierend zwischen den Tischen
auf und ab. »Ich habe gleich gesagt, wir sollten uns mehr um den Steenken
kümmern, wenn du dich erinnerst. Wer braut denn schließlich diesen Kräuterschnaps?!
Ich wette, die beiden haben zusammengesessen – das heißt, das wissen wir
bereits – haben geredet und einen oder ein paar mehr getrunken. Dann ist dem
Visser ein falsches Wort rausgerutscht und Steenken hat zugeschlagen.«
Arndt Kleemann überlegte. Er konnte sich nicht vorstellen, dass
der Mann etwas mit dem Mord zu tun hatte. Auf der anderen Seite hatte Klaus recht.
Steenken verfügte über jede Menge Kräuterschnaps. Nicht nur bei sich zu Hause,
wie der Bürgermeister ihm anschaulich beschrieben hatte. Allerdings konnte man
so ein Zeug in jedem Laden und in jeder Kneipe kaufen. Es musste gar nichts
beweisen. Es war Zufall. Und solche Zufälle hatten schon häufig Regie geführt
bei ihren Ermittlungen. Es würde zudem schwierig sein, nachzuweisen, welche
Sorte genau der Mann in sich hineingeschüttet hatte. Und ob dieses Wissen dann
letztendlich zum Täter führte, war ebenfalls fraglich.
»Wir sollten den Mann sofort hierher holen«, meinte Kockwitz.
»Wenn er zu erreichen ist. Meist befindet er sich ja auf der Flucht, wenn wir
kommen.«
»Würdest du dich bitte etwas zurückhaltender ausdrücken?«
Kleemann langte es. Dieser ständige ironische Unterton in der Stimme seines
Kollegen störte einfach seinen Gedankenablauf. Er wollte eine ruhige, sachliche
Diskussion.
»Arndt, ich glaube ehrlich, dass wir auf einer guten Spur sind.
Überleg doch mal: Da erfährt der Mann womöglich, dass der Visser ihn belogen
hat und in Wirklichkeit ein ganz großes Ding dahintersteckt. Da sind schon
Menschen für weniger um die E… – getötet worden.«
»Ich weiß, wo Visser gestern war.« Michael Röder stand in der
Tür und wedelte mit den Fotos, die Annalena ausgedruckt hatte. »Er war im Strandcafé .
Und ratet mal, mit wem?«
»Mach’s nicht so dramatisch. Los.« Arndt Kleemann war gespannt.
»Mit dem Bürgermeister. Und vorher hat ihm noch
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