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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Palazzo der Ricardis erwies sich als riesige, düstere und feuchte Angelegenheit. Die Ricardis schienen ihr Vermögen nur sparsamst auszugeben, wenn man die Dürftigkeit der Beleuchtung als Maßstab nahm. Es roch intensiv nach Moder. Signora Ricardi stand im großen Salon neben dem Flügel. Sie kam ihnen keinen Schritt entgegen. Kein Härchen löste sich aus ihrer elegant hochgesteckten Frisur, kein Lächeln löste das edle, hochmütige Gesicht, als sie Hanna die Hand reichte. Nur ein mühsam beherrschter winziger Zug von Degout nistete in ihren Mundwinkeln, als röche sie etwas Unangenehmes. Signora Ricardi liebte ihren Sohn, und sie hasste die Deutschen. Wie konnte er nur …
    Beim Abendessen sprach die Familie so schnell, dass Hanna trotz ihres leidlich guten Italienischs ausgeschlossen blieb, was wohl auch der Zweck der Übung war. Hannas Zimmer, vollgestellt mit wertvollen, dunklen, alten Möbeln, schien endlos. Trotz der Teppiche an den Wänden war es kalt. Im Bett steckte nur eine Wolldecke im üblichen Leinenüberschlag. Die Matratze hätte vielleicht als Antiquität einen Spitzenplatz erreicht, zum Schlafen war sie eher ungeeignet. Hanna fror erbärmlich. Sie hoffte lange, dass Paolo käme, sie zu wärmen. Sie machte sich sogar auf den Weg, um sein Zimmer zu finden, gab den Versuch in den inzwischen völlig verdunkelten vollgestellten Gängen aber nach mehreren blauen Flecken auf. Sie zog alles an, was sie hatte und was übereinander anziehbar war, rupfte Leintuch und Wolldecke aus dem Bettrahmen und wickelte sie um sich herum, breitete die rote Samttischdecke vom großen Tisch in der Mitte des Zimmers über sich und beschloss, ab morgen diesen Palazzo zu entstauben. Mit ihrem Zimmer würde sie anfangen. Das wäre doch gelacht!
    Sie brachte das Personal gegen sich auf, als sie am nächsten Morgen nach dem Frühstück nach Besen und Wischlappen fragte. Die Haushälterin, die noch viel feiner als ihre Herrin war, sprach mit hochgezogenen Augenbrauen, sie werde unverzüglich veranlassen, dass das Zimmer der Signorina in Ordnung gebracht werde. Als Hanna dorthin zurückkam, waren Leintuch und Wolldecke wieder im Bettrahmen festgesteckt, das Samttuch über den Tisch gebreitet, und Hannas überall verbreitete Kleidungsstücke hingen ordentlich im Schrank. Der Staub war geblieben.
    Nach drei Tagen stellte Hanna Paolo vor die Wahl: Auszug oder Trennung. Es war nicht einfach, auf die Schnelle eine Wohnung zu finden, zumal Paolo ohne die Unterstützung seiner Mutter finanziell äußerst beengt war. Hanna lachte und sagte, die Hauptsache sei doch, dass sie zusammen seien und frei, und sie werde ihre Eltern um Geld bitten.
    Die einzige möblierte Wohnung, die sofort beziehbar war, lag in Cannaregio in der Nähe des Ospedale Psichiatrico und war dunkel und hässlich. Auch die Arbeit an der Dissertation kam nicht recht voran, denn der Einfluss der Signora Ricardi war in Venedig wesentlich wirksamer als der Donatellos.
    Anfang Dezember schlug Paolo sie das erste Mal. Er fiel sofort vor ihr auf die Knie und bat um Verzeihung. Beim zweiten Mal schlug er fester zu, und sie krachte mit dem Kopf gegen den Küchenschrank. Er weinte, und sie wusste, dass sie sofort gehen musste, bevor sie anfing, Entschuldigungen für ihn zu finden.
    Sie irrte durch die düsteren calli Venedigs, wo das Morgenlicht erst die obersten Stockwerke erreichte. Ein Überlebensinstinkt führte sie schließlich in die Kirche Santa Maria dei Miracoli. Sie setzte sich in die vorderste der menschenleeren Bänke, nah zur Madonna, leer, verloren und tränenblind. Das Weinen schüttelte sie in trockenen Stößen. Lange saß sie da. Licht rieselte herab wie Mehlstaub. Ganz sacht drang die Harmonie dieses pulsierenden Raumes aus atmendem Stein in sie ein, diffundierte durch ihre Haut, durch die geschlossenen Lider hinter ihren Händen. Draußen vor der Tür sang ein Kind. Ein Ball klatschte gegen die Kirchenmauer, wieder und wieder. Dann erneut Stille.
    Irgendwann spürte Hanna, dass sie nicht mehr allein war. Auf ihrem Knie lag ein Taschentuch, weiß mit purpurrotem Rand, sauber gebügelt und gefaltet. Wie ein Floß kam es Hanna vor, ein kleines weißes Floß in der Dunkelheit. Neben ihr saß ein Mann, der auf rätselhafte Weise Widersprüchliches in sich vereinte. Er schien jung und alt zugleich, gut aussehend und

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