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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Augen und ist dann tagelang so deprimiert, dass man ihn ständig päppeln und trösten und aufbauen muss. Nein, das nicht. Ich … ich hab’s einfach nicht mehr ausgehalten.«
    Â»Was hast du nicht mehr ausgehalten?«
    Â»Ach, alles. Diese ständigen Regeln. Tu dies, mach das nicht. Leg die Decke zusammen, bevor du das Wohnzimmer verlässt, tu die Tassen in der Spülmaschine nur links oben hin und im Besteckkasten die Löffel links, Gabeln rechts, Messer in der Mitte und …« Hanna schnaufte wütend durch die Nase und stieß einen leicht hysterischen Laut aus.
    Â»Und wie möchtest du dein Besteck denn haben? Durcheinander?«
    Hanna fiel ihr ins Wort. »Und heute früh hat er mich angefaucht wegen der Scheißzahnpastatube, die ich zumachen sollte, und da bin ich …«
    Â»Du hast deinen Mann verlassen, weil er gesagt hat, du sollst die Zahnpasta zumachen?«
    Â»Er ist nicht mein Mann! Und überhaupt, darum geht es doch gar nicht. Ich hab mich nur so … so eingesperrt gefühlt. Wie zwischen lauter Verkehrszeichen. Und ständig beobachtet und beurteilt. ›Das hast du aber fein gemacht!‹ Ich hatte das Gefühl, ich krieg keine Luft mehr.«
    Â»Ach so.« Kunigunde hörte die unterdrückten Tränen. Trotzdem sagte sie das Falsche: »Aber Benno tut doch alles für dich, er trägt dich doch …«
    Â»Natürlich! Der wunderbare Benno! Dass du mir jetzt in den Rücken fällst, das ist so … Aber Benno war ja schon immer dein Liebling. Benno hier und Benno da! Aber ich will gar nicht auf Händen getragen werden, ich will einfach selber gehen, meinen Weg gehen.« Jetzt kamen die Tränen, laut und stoßweise.
    Â»Ach Kindchen!«, seufzte Kunigunde.
    Sie schob ihre Ungeduld beiseite. Sie hatte zwar nicht die geringste Lust auf Beziehungsprobleme, und der Abgabetermin ihrer Arbeit saß ihr schwarz und drohend im Nacken, aber hier schien Erste Hilfe dringend vonnöten. Sie musste mit Hanna reden, aber nicht am Handy. Ade, liebes Schinkenbrot mit Gürkchen und Apfel, das sie schnell im Stehen in der Garderobe des Staatsarchivs hatte essen wollen, um anschließend gleich weiterarbeiten zu können. Aber wenn die geliebte Nichte in Not war …
    Â»Ich wollte dich eigentlich heute Abend schön zum Geburtstagsessen einladen, aber wenn du dich gleich mit mir treffen willst, können wir reden.«
    Â»Danke, das ist lieb von dir.« Hanna klang verlegen. »Aber … aber ich hab Tanja versprochen, sie zu begleiten, und außerdem … Doch heute Abend essen gehen, das wäre wunderbar. Wo denn?«
    Eigentlich hätte Kunigunde jetzt doch gern gewusst, was das für eine Geschichte mit Tanja war, aber das konnte ihr Hanna ja beim Essen erzählen, das sparte Zeit. »Magst du Thailändisch? Wie wär’s mit dem Thai im Domgrund?«
    Â»Ja, gern. Um sieben Uhr?«
    Â»Sagen wir, halb acht. Ich habe auch noch eine Menge zu tun. Und heute Nachmittag hat sich die Christa zum Geburtstagskaffee angesagt. Das passt mir zwar wie ein Furunkel am Po, aber sie wäre so gekränkt gewesen.«
    Â»Also, wenn’s dir nicht passt mit heut Abend …«
    Â»Ach Quatsch, natürlich passt’s mir. Ich freu mich schon die ganze Zeit drauf, Kind.«
    Â»Na gut, dann bis halb acht.«
    Kunigunde schaltete ihr Handy aus und runzelte nachdenklich die Stirn. Hannas Reaktion machte sie stutzig. Vielleicht hätte sie darauf bestehen sollen, sie gleich zu treffen. Doch sie stellte mit kleinen Gewissensbissen fest, wie erleichtert sie war, dass Hanna ihren Vorschlag abgelehnt hatte. Seufzend ging sie zu ihrem Lesesaaltisch zurück, um an ihrem Text weiterzuarbeiten.
    Als Franz Novak 1953 nach Willersdorf zurückkam, tat er das unter veränderten Vorzeichen. Er war jetzt Politkommissar und damit der zweite Mann neben dem Kompaniechef, zuständig für das gesamte Personal der Truppe, ihre politisch-moralische Ausbildung und Führung und ihre technische Ausrüstung. Das war schon eine ordentliche Karriere – vom armen Waldarbeiter zum Politkommissar. Er hatte nun eine Frau und ein Kind, die ihn liebten, ein Haus am Waldrand, ein gutes Einkommen und die Sympathie eines großen Teils der Dorfbevölkerung. »Er war der tonangebende Mann in Willersdorf«, wird später ein Zeuge sagen, »der König im Dorf.«
    Den Gipfel

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