Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
Vom Netzwerk:
Magst du eine Tasse Kaffee?« Sonja hatte ihre kleine Tochter auf der Hüfte sitzen und sah auch mit Schürze und verstrubbelten Haaren hinreißend aus. Sie setzte die Kleine in der Küche auf den Boden und holte die Kaffeekanne vom Herd.
    Â»Franz ist heute früh weggefahren. Eine geheime Lagebesprechung, hat er gesagt. Er kommt erst morgen Abend zurück.«
    Was für eine geheime Lagebesprechung?, dachte Hans. Davon hatte er gar nichts gehört. Und dazu sollten sie ausgerechnet Franz einladen, der wegen seiner kritischen Haltung von der Partei zunehmend distanziert behandelt wurde? Die kleine Lotte kam auf ihn zugekrabbelt, hangelte sich an seinem Stiefel empor und strahlte ihn an. Er hob sie auf seine Knie, vorsichtig, um dieses zarte Geschöpfchen nicht zu verletzen. Seine Hand schmiegte sich um den kleinen Kopf mit den hellen, dünnen Löckchen. Das vertrauensvolle Lächeln des Kindes zerriss ihm das Herz. Er hätte sich so innig wie nichts sonst auf der Welt gewünscht, dass sie sein Kind wäre, sein Töchterchen, ihr Lächeln glich so sehr dem der Mutter. Und wo war Franz?
    In der Umkleidekabine der Sporthalle traf er Franz zwei Tage später.
    Â»Was war das für eine geheime Lagebesprechung, auf der du die letzten Tage warst?«
    Es war das erste Mal, dass Hans seinen Freund verlegen sah, für einen kurzen Moment. Dann drehte Franz sich weg und sagte hastig: »Tut mir leid, dass wir unseren Ausflug verschieben mussten. Wir holen das nach.«
    Er sperrte seinen Spind ab und wollte gehen.
    Aber Hans hielt ihn am Arm fest und stieß hervor: »Betrügst du Sonja?«
    Seine Stimme war heiser vor Zorn.
    Doch Franz machte sich los und lachte bemüht. »Sei doch kein Frosch. Wir sind doch Männer, oder?«
    Damit verschwand er in der Sporthalle.
    Erst als seine Hand zu bluten begann, hörte Hans auf, gegen die Metalltür von Franzens Spind zu schlagen.
    Franz Novak war sich im Lauf der Zeit seiner Wirkung auf Menschen immer deutlicher bewusst geworden. Er begann, eine Art von Arroganz zu entwickeln, die vor allem seinen Vorgesetzten und den Parteivertretern zunehmend missfiel. Er wurde herrisch und ungeduldig. Kritik an seiner Person konnte er überhaupt nicht akzeptieren. In fast allen späteren Zeugenaussagen über ihn tauchten diese drei Eigenschaften auf: überheblich, herrisch, uneinsichtig.
    Besonders problematisch war sein Verhältnis zu dem Parteisekretär, der seit 1955 die
SED
im Dorf vertrat. Peter Gruber war einer jener engstirnigen Eiferer, die gefährlich werden, wenn sie Macht bekommen, und die die wichtigste Stütze totalitärer Systeme sind. Die beiden Männer konnten sich vom ersten Moment an nicht ausstehen. Die Konfrontation eskalierte zum Kampf um die Macht in Willersdorf.
    Noch hatte Franz Novak die Nase vorn. Gruber beschreibt das in seinem Bericht über Novak so:
In Versammlungen, in denen Novak das Wort ergriff, wurde ihm stets seitens der Bevölkerung beigepflichtet. Aufgrund seiner Redegewandtheit fühlte ich mich ihm oft unterlegen
.
    Umso eifriger beobachtete Gruber Franz Novaks
unparteimäßiges Verhalten
: dass er die Einwohnerversammlungen nicht regelmäßig besuche, dass er mit dem Pfarrer verkehre, dass er eine Platte mit dem Lied vom Wildschütz
Gennerwein
(sic!), die er von seiner Schwester aus Österreich geschickt bekommen habe, laut auf der Dienststelle abspiele, dass er nur ein Paar Stiefel habe, die er bis zum Auseinanderfallen trage, weil es ihm nicht einfalle, sich Kleidung, die er im Polizeidienst tragen müsse, selbst zu kaufen, dass er auf seinen Patrouillengängen entlang der Grenze das falsche Gewehr mitnehme, um gleich nach Dienstschluss zur Jagd gehen zu können, dass er sich mit den bayerischen Grenzern über den Zaun hinweg unterhalte und gut verstehe. All das zeuge davon,
dass er nicht klassenverbunden und losgelöst von den Massen
sei.
    Die Auseinandersetzungen häuften sich, vor allem als Gruber durch weitere stramme Parteigenossen verstärkt wurde, den neuen Bürgermeister und die beiden Lehrer. Franz Novak ertrug hierarchische Strukturen immer weniger, und außerdem hatte er insgesamt eigentlich keine Lust mehr auf die Polizeiarbeit. Er wünschte sich irgendeine Arbeit, die mit dem Wald und der Jagd zu tun hatte.
    Aber seine militärischen Vorgesetzten wollten den fähigen jungen Mann angesichts ihrer erheblichen Rekrutierungsprobleme

Weitere Kostenlose Bücher