Bamberger Verrat
warte er auf ihr Lob.
»Ach.« Sie holte die Espressotässchen aus dem Schrank und vermied, ihn anzusehen. »Und was sagt denn eure Haushälterin, Signora Ortessa, zu den Veränderungen?«
»Maria ist in Rente. Kleines bisschen Druck genügte. Lebt jetzt bei ihrer Nichte in Rom.«
»So.«
»Palazzo ist ganz schön geworden. Nur bisschen leer.«
»Ach so.« Hanna war ihre Sprachlosigkeit peinlich. Sie sollte doch, verdammt noch mal, souverän genug sein, mit solch einer Situation umzugehen. Sie trug das Tablett mit Espresso und Zucker zum Couchtisch und setzte sich.
»Also, was willst du hier?«, fragte sie und hoffte, ihre Stimme klänge fest.
»Du bist immer noch so ⦠so deutsch. Kannst du nicht �«
»Also!«
»Du könntest mir Bamberg zeigen, no ? Ich habe dir damals Venedig gezeigt. Das ist doch ein fairer Deal, oder?«
»Ach, machst du Urlaub hier?«
»Teils. Teils auch geschäftlich. Bene , willst du?«
»Ehm ⦠nein. Tut mir leid, Paolo. Heute passt es mir ganz schlecht. Ich hab noch so viel Arbeit und â¦Â«
»Komm, nur ein Stündchen! Hast du gegessen schon? Ich lade dich zu Mittagessen ein.«
Hanna schaute auf die Uhr. Schon eins. Und sie hatte tatsächlich Hunger und nichts Essbares im Haus.
»Also gut. Aber wirklich nur ganz kurz. Sonst werde ich bis morgen nicht fertig. Ich geh mich schnell umziehen.«
Als Paolo aufstand, fügte sie streng hinzu: »Du bleibst hier sitzen. Du kannst schon mal die Tassen in die Küche bringen.«
»Ich liebe deine Logik, cara mia . Schon immer«, rief Paolo ihr nach, als sie nach oben in ihr Schlafzimmer ging.
Als Hanna wiederkam, hatte er die Tässchen sogar ausgespült und aufs Abtropfbrett gestellt. Er half Hanna in den Mantel und streichelte dabei ihren Hals. Bester Laune begann er, witzige kleine Anekdoten und venezianischen Gesellschaftsklatsch zu erzählen. Als sie aus der kleinen Gasse, an deren Ende Hannas Häuschen lag, in die KapuzinerstraÃe einbogen, hatte er sie so weit: Sie musste lachen. Sie sah amüsiert zu ihm auf, und er legte den Arm um ihre Schultern.
Das ging denn doch zu weit. Hanna überlegte angestrengt, wie sie diesen Arm wieder loswerden konnte, ohne Paolo allzu offen zu kränken. Ein paar Meter weiter drehte sie sich plötzlich nach vorn von ihm weg, lief einige Schritte rückwärts und rief, als wäre ihr das gerade wieder eingefallen: »Ich sollte dir doch etwas über Bamberg erzählen, nicht wahr?«
Dann begann sie, in sicherer Entfernung neben Paolo hergehend, mit ihrer für Stadtführungen reservierten Stimme: »Also ganz kurz das Grundsätzliche: Bamberg war bis 1802 die Hauptstadt eines Staates, dessen Herrscher der Bischof von Bamberg war. Er war damit auch Herr der Stadt, und die Bürger versuchten immer wieder vergeblich, ihn loszuwerden. Denn es gab aber auch hier Patrizierfamilien, die durch Handel reich wurden und die Politik gern selbst bestimmt hätten.«
Paolo machte ein interessiertes Gesicht.
Inzwischen waren sie am »Kranen« angekommen, im Sommer ein fast mediterraner Platz, wo die Touristen in die Hafenrundfahrtboote stiegen, Studenten in der Sonne am Flussufer saÃen und sich die Besucher des StraÃencafés auch vom vorbeiflieÃenden Verkehr nicht stören lieÃen. Aber jetzt im wässrigen Aprillicht sah der einstige Hafen ziemlich werktäglich aus. Dennoch liebte Hanna diesen Platz, weil sie sich gerade hier das Leben früherer Zeiten mit seinen Farben und Gerüchen so gut vorstellen konnte.
»Hier rechts war das Schlachthaus, das seine Abfälle direkt in den Fluss entsorgt hat. Siehst du den Ochsen da über dem Portal? Er hat echte Hörner von ungarischen Rindern, weil von denen früher ganze Herden hierhergetrieben wurden, um von hier aus nach Norden verschifft zu werden, über den Main und den Rhein. Vor einigen Jahren waren die alten Hörner kaputt, und unser Oberbürgermeister ist extra nach Ungarn gefahren, um neue zu holen.«
»Interessant«, sagte Paolo.
»Direkt neben den Fleischbänken lag der Fischmarkt. Kannst du dir vorstellen, wie es da gerochen hat? Und hier mit den eisernen Kranen â früher waren die viel gröÃer und aus Holz â wurden die Waren ausgeladen. Dieses groÃe Haus da ist das âºHochzeitshausâ¹, das die Stadt samt Personal für
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