Bamberger Verrat

festzustellen
, während alle Grenzposten dort abgezogen werden sollten. Am Nachmittag des 22.   8. sollte
die Einschleusung der Festnahmegruppen und Sicherungsposten, elf Mitarbeiter in Tarnanzügen
, erfolgen. Hans Kromm sollte Sonja, Lotte und das Gepäck mit seinem Pkw um achtzehn Uhr dreißig abholen, durch den Wald zu einer bestimmten Stelle fahren und dort das Fahrzeug stehen lassen. Danach sollten sie zu einem ebenfalls genau bezeichneten Punkt am Grenzzaun gehen, um dort Franz Novak auf das Gebiet der
DDR
zu locken.
    Bis ins Einzelne wurde jede mögliche Reaktion von Franz oder Sonja Novak durchdacht und für Kromm eine entsprechende Handlungsanweisung ausgearbeitet. Zum Beispiel:
6a) Ist N. allein bereits an der Stelle »C«, ist diesem durch die
KP
(Kontaktperson, d.   h. Kromm)
durch Zeichen verständlich zu machen, dass er zur Stelle »E« kommen soll. Geht N. darauf ein und kommt, betritt er das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik und kann durch die Festnahmegruppe »B« festgenommen werden. 6b) Geht N. nicht darauf ein, sondern verbleibt an der Stelle »A« und versucht, die
KP
und seine Frau dorthin zu bewegen, soll die
KP
die Gasmaske mit dem Gepäck der N. aufnehmen und sich mit der N. und dem Kind am 10
-
Meter-Streifen entlang zur Stelle »C« bewegen. An der Stelle »C« ist N. zu veranlassen, den Bach zu überschreiten und das Gepäck und die Gasmaske zu holen. Bei Überschreiten des Baches, ca. 2 m breit, befindet er sich schon auf unserem Gebiet und kann durch die Festnahmegruppe »A« festgenommen werden.
    Und so weiter und so weiter, in etwa dreißig Varianten.
    Franz Novak erfährt von Sonja, dass Kromm sie am Abend des 22.   8. zur Grenze bringen und dabei die Gasmaske mitbringen wird. Er nimmt sich Urlaub und fährt einige Tage vorher zur Dienststelle des amerikanischen Geheimdienstes nach Bayreuth. Er will wissen, wie er sich verhalten soll und was er Hans Kromm für das Besorgen der Gasmaske in Aussicht stellen könne. Das Versprechen von zwei- bis dreitausend Westmark und die Zusicherung von Wohnung und Arbeit scheinen ihm zufriedenstellend.
    Am 22.   8. vormittags begeben sich Novak und ein Mitarbeiter der Amerikaner in einem geliehenen
VW
an die Grenze, um sich die Flucht- und Übergabestelle genau anzusehen. Danach fahren sie zum Mittagessen nach Kronach. Wären sie am Nachmittag da gewesen, hätten sie das »Einschleusen« der Festnahmegruppe beobachten können. Aber sie kommen erst um siebzehn Uhr dreißig zurück, als auf der anderen Seite alle auf ihrem Posten sind. Der Amerikaner versteckt sich im Gebüsch, während Franz Novak auf einen Baum klettert, um die Grenze mit dessen Fernglas zu beobachten.
    Als es dämmert, kommt Hans Kromm mit Sonja und Lotte den gegenüberliegenden Hang herunter. Danach läuft alles genauso ab wie im Maßnahmenplan 6b festgelegt. Hans Kromm, der doch weiß, dass die Häscher im Wald lauern, der doch wissen muss, welches Schicksal seinem Freund und seiner Frau droht, Hans Kromm lockt Franz Novak mit der Bitte, ihnen beim Tragen der Koffer zu helfen, über den Grenzbach. Als Novak beim »Grab des Wilddiebs« am Stacheldrahtzaun vorbeigeschlüpft ist und auf seine Familie zugeht, stürmen die Festnahmegruppen aus dem Wald. Novak sieht sie, stößt Kromm, der ihn festhalten will, um und hechtet über den Zaun, dessen rostige Stacheln ihm in Hände und Beine dringen. Er rennt in Richtung Westen, hat ihn fast schon erreicht. Doch als er über den Bach springt, schießt ihm Leutnant Volk ins Bein. Novak fällt ins Wasser und kriecht auf das westdeutsche Ufer. Dort nehmen ihn die Häscher fest und schleppen ihn zurück in die
DDR
.
    Die Akte über den Operativvorgang »Verräter« schloss Unterleutnant Teuber mit dem Vermerk:
Am 22.   8.   1959 wurde der Operativvorgang »Verräter« Reg.Nr.   10./59 durch die Festnahme des Novak, Franz und seiner Ehefrau Novak, Sonja realisiert. Komplikationen traten bei der Festnahme nicht auf.
    Der Genosse Hans Kromm wurde offiziell für seine sehr
gute Eigeninitiative
belobigt und erhielt für seinen
selbstlosen Einsatz
fünfhundert Mark. Er arbeitete weiterhin für die Staatssicherheit.

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    Was ist heute nur mit mir los?, dachte Hanna. Heute früh dieser Erinnerungssturm, und jetzt glaube ich Paolo auch noch zu sehen! Der Mann, der etwa