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Bambule am Boul Mich

Bambule am Boul Mich

Titel: Bambule am Boul Mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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anderes, als uns die Ideen klauen. Der Confidential! Ein Abklatsch der Tricks von Maulwurf Alexandre. Dieser Alexandre ist jetzt
tot, aber zwischen den beiden Weltkriegen herrschte er über eine ganze
Organisation mit soliden Finanzen aus zwei Wochenzeitschriften, die ‘ne Menge
einbrachten. Im Quartier latin lief für ihn ein Heer von schlechtbezahlten
Mitarbeitern rum: Agents provocateurs, unechte Bohemiens, unechte Studenten mit
richtigen falschen Ausweisen. Die hatten den Auftrag, sich an die Studenten zu
hängen, die Erben eines großen Namens waren, und Beweise für deren Dummheiten
zu liefern. Wenn man jung ist, macht man immer welche. Vor allem, wenn die
Fallen so geschickt ausgelegt werden. Wenn Beweise vorhanden waren, legte
Alexandre sich auf die Lauer. Er hatte Zeit, wartete und wartete. Und eines
schönen Tages erfuhr er aus der Klatschspalte des Figaro , zum Beispiel, von der bevorstehenden Hochzeit von Soundso. Oder aus dem
Allgemeinen Teil, daß Derundder zu Amt und Würden kam, namentlich zu einem
hohen Posten in der Politik oder im diplomatischen Dienst. Er suchte sich nur
die Akte der Betreffenden raus, und ab ging die Post! Ein Fest sollte es
werden! Und es waren schöne Hochzeitsfeste, mit Orgel und dem ganzen Kram. Und
Alexandre machte die Musik dazu, aber leise, zurückhaltend, unhörbar für die
normal Sterblichen. Sing, Großmutter, sing! Sonst singt Alexandre! Wenn
nichts aus seiner Spezialkartei rauszuholen war, fütterte er seine eigenen
Zeitschriften damit. War immer für einen prima Artikel gut. Aber meistens: Mund
halten, kein Sterbenswörtchen, verschwiegen wie ein Grab. Und das Schweigegeld
kassieren. Ein Künstler, dieser Monsieur Alexandre! Ein großer Geist! Ein
fähiger Kopf! Ein raffiniertes Schwein! Seine Nachfolge anzutreten, erschien
mir wirklich ein wenig schwer für die Schultern von Van Straeten. Aber der gute
Mann tat, was er konnte. Und wenn er sich mal etwas tolpatschig benahm, so wie
ich es soeben zufällig mitgekriegt hatte — Monsieur Alexandre hatte auch nicht
nur Erfolge eingeheimst.
    Soweit war ich mit meiner
Retrospektive gekommen, als der Pseudo-Magier respektvoll die Nase hochzog. Ich
hob den Kopf. Er blinzelte lauernd zu mir rüber. Daß ich mir genüßlich dieses
Kunstfoto ansah, begeisterte ihn nur halb. Ein kleiner Egoist. Ich spielte mit
dem Gedanken, ihm von Alexandre zu erzählen, um mich etwas aufzuspielen. Aber
ich hielt mich zurück. Hatte schon ‘ne Menge über ihn erfahren, er über mich
noch gar nichts. Den Vorsprung wollte ich nicht vergeben. Also spielte ich
weiter den asthmatischen Trottel. Das beste wär’s
jetzt gewesen, sich aus dem Staub zu machen. Eigentlich hatte ich die Absicht
gehabt, das Gespräch auf Paul Leverrier zu bringen. Das paßte jetzt nicht mehr.
Aber ich wollte wiederkommen. Am besten, wenn Van Straeten nicht zu Hause sein
würde.
    „Geht’s besser?“ fragte ich
ihn.
    „Ja, ja, danke. Ohne Sie...“
    Er stotterte, aber das war nur
Theater. Sah zwar ziemlich zerknautscht aus, hatte seine Kaltblütigkeit aber
wiederge-wonnen.
    „Sie brauchen mir nicht zu
danken“, sagte ich, treuherzig auf Teufel komm raus. „Ich hätte mich früher
einmischen müssen. Aber erstens ging mich Ihr Streit nichts an, und zweitens
sah der junge Mann so böse aus. Und wie schnell kriegt man was vors Maul,
stimmt’s? Als ich dann aber sah, daß er zu weit ging...“
    Ich stand auf, warf einen
letzten Blick auf das Foto in meiner Hand und warf es angeekelt auf den
Schreibtisch.
    „Also... hm... ich hab zwar
nicht so recht begriffen, worum’s ging, aber so was gefällt mir nicht
besonders. Ich liebe meine Ruhe. Bedaure Monsieur Van Straeten, wegen meines
Asthmas werd ich mal woandershin gehen.“
    „Ich kann Sie sehr gut
verstehen“, sagte er katzenfreundlich.
    Er stand jetzt ebenfalls auf,
sammelte die Fotos vom Teppich auf, versicherte sich, daß auch keins fehlte.
    „Ich versuche nicht, Ihnen
dieses Mißverständnis zu erklären...“
    „Sagen Sie bitte nichts. Damit
will ich nichts zu tun haben.“
    Erleichtert sah er mir nach.
Ein so blöder Trottel war ihm wohl noch nie über den Weg gelaufen.
    Hoffte ich jedenfalls.

Asiatische Grippe
     
    Draußen war es schon dunkel.
Die Temperatur blieb weiterhin niedrig, dafür stieg meine an, als Gegengewicht
vielleicht. Das merkte ich ungefähr eine Stunde, nachdem ich mich von dem
Magier verabschiedet hatte. Ich stand gerade im Dupont-Latin-Ex-Soufflet und schoß auf einen Sputnik. Um mich

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