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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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saßen wir zusammen auf meinem Bett und haben gewartet, dass es Tag wird. Lutz hat meine Hand gehalten, und ich habe geweint, echte Tränen. Wir haben beide nichts gesagt. Irgendwann habe ich aufgehört und gar nichts mehr gemacht, gesagt oder gedacht. Puppe hat sich ausgeschaltet. Klick.
    Jetzt fährt mein Kopf wieder hoch, ganz langsam, aber irgendetwas läuft nicht richtig. Es rattert und macht komische Geräusche, die Apparatur kränkelt, keucht, und man weiß nicht, wie lange sie es noch macht. Alles ist schwammig. Mein Gehirn, schwammig. Spongebob , singt es in meinem Kopf.
    »Abortus imminens«, sagt Dr. Engels. Mein Körper entledigt sich jeglicher Flüssigkeit. Blut tröpfelt aus meiner Gebärmutter, Tränen aus meinen Augen und Rotz aus meiner Nase. Und dabei bin ich doch ein Schwamm?
    »Haben Sie mir zugehört, Frau Stockmann?«
    »Nein«, gebe ich ehrlich zu. » Ich war gerade ein Schwamm « lasse ich aber weg.
    »Sie sollen sich nicht so große Sorgen machen. Wir kriegen das hin. Mit absoluter Bettruhe und Magnesiuminfusionen.«
    »Schön.« Das beruhigt natürlich ungemein.
    Dann soll ich mir meinen Überweisungsschein für die Klinik abholen und versuche aufzuhören, ein Schwamm zu sein. Ich bin erwachsen und stecke mitten in einem Abgang. Contenance ist gefragt.
    Lutz kommt aus dem Wartezimmer gesprungen. Ich wollte nicht, dass er mit in den Behandlungsraum kommt. »Und?«, fragt er.
    »Klinik«, sage ich und verbiete ihm, mich dorthin zu begleiten.
    Ich nehme ein Taxi nach Hause, weil ich ein paar Sachen einpacken muss. Mein Kopf lehnt an der kühlen Fensterscheibe, und aus dem Augenwinkel sehe ich, wie die Welt an mir vorbeizieht. Ich hasse sie.
    »So, hier sind wir«, sagt der Fahrer, und ich bitte ihn zu warten. Drinnen stopfe ich meinen riesigen Trolley voll. Föhn, Lockenstab, zwei Designer-Jogginganzüge, jeweils ein Dutzend Schlüpfer, Socken und BH s, fünf T-Shirts, Make-up. Eben alles, was man als Patient im Krankenhaus nicht braucht. Dann lasse ich mich zur Klinik fahren. »Sind Sie krank?«, will der Fahrer wissen.
    »Nicht mehr als sonst«, sage ich. Tausend Gedanken rasen durch meinen Kopf, und zugegeben haben einige davon mit Schwämmen zu tun. Die anderen sind schlimm, sie kneifen, prügeln und würgen mich. Ich bin Schuld, ich habe es verdient, Erbse wird sterben.
    Ich rolle mit meinem Trolley über die Flure, bis ich meine Station gefunden habe. Unterwegs treffe ich Menschen, die im Gegensatz zu mir so aussehen, als würden sie hierhergehören: röchelnde Kreaturen, die sich mit ihren Infusionsständern über die Gänge schieben. In fleckigen Bademänteln und alten Hauspantoffeln. Ich bekomme noch mehr Angst und fange wieder an zu heulen, echte Tränen. Die Schwestern geben mir ein Einzelzimmer. Am schlimmsten ist, dass sie mich auf der Entbindungsstation einquartieren. Während ich regungslos auf meinem Bett sitze, höre ich im Nebenzimmer eine Frau jaulen und tippe auf Wehen. Und irgendwo schreit ein Baby.
    Danke, ihr Arschlöcher.
    Ich habe so große Angst, ich kann es nicht beschreiben … Tausend Gedanken … Schwammmmmm … Bitte mach mal einer, dass das alles nicht wahr ist. Oder wenigstens das Licht an. Es ist scheißdunkel in diesem Kack-Psychozimmer. Sind die Wände aus Wand oder aus Gummi? Wand! Hurra! Ich drehe durch. Klebt mir einen Fisch aufs Auto! Ich kann nicht mehr. Doch ich kann, einer geht noch, einer geht noch rein . Lene … Birdie … Erbse …
    Und dann kommt die blöde Schwester und will mir ein Mittagessen aufzwingen.
    »Putenschnitzel, Kartoffelbrei und Erbsen«, präsentiert sie das farblose Menü.
    »Erbsen«, schluchze ich.
    »Mögen Sie keine Erbsen?«
    Tränen, die echten, schießen mir aus den Augen, und ich schniefe so laut und hektisch, dass ich nicht antworten kann.
    »Jetzt ziehen Sie sich erst einmal um, und dann gebe ich Ihnen eine Infusion«, sagt die Schwester, als sie merkt, dass ihr Mittagessen nicht bei mir ankommt. Gegen Umziehen wiederum hab ich nichts, das hat nichts mit Erbsen zu tun.
    »Ich hab mich umgezogen. Umgezogen«, sage ich und klinge vermutlich ein bisschen irre, als sie zurückkommt und eine Halbliter-Flasche klarer Flüssigkeit, die kopfüber an einer Stange auf vier Rädern hängt, ins Zimmer rollt. Dann hängt sie mich mit Hilfe einer Kanüle und einem dünnen Schlauch dran. Ich bin erleichtert, dass ich mich dafür nicht auf den Kopf stellen muss.
    »Das ist eine Magnesiumlösung. Kann sein, dass Sie davon ein bisschen

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