Banalverkehr - Roman
und eine Uhr, die so groß ist, dass ich sie als Radkappe an meinen Polo montieren lassen könnte. Nicht mein Typ, und heute stört mich das sogar.
»Darf ich dir noch ein Getränk ausgeben?«, fragt er.
»Nein, danke«, sage ich und starre auf die Tanzfläche. Aber dann fällt mir etwas ein. »Sag mal, kennst du zufällig Itsy? Sie ist wohl öfter hier. Ein bisschen größer als ich, lange, blonde Haare, ein kurzer Rock und Riesen …«
»… Brüste«, beendet er meinen Satz und lacht. »Klar kenne ich Itsy. Jeder kennt sie. Und das nächste Mal kannst du dir das ganze Drumrum sparen. Frag einfach nur nach den Riesenbrüsten.«
»Aha«, sage ich und weiß nicht, wie ich es fände, wenn ich nur die mit den Riesenbrüsten wäre. Andererseits muss ich nicht reden, schließlich war ich vor kurzem die, bei der man richtig ran muss , weil sie eh nichts mehr merkt.
»Weißt du, wo sie ist?«
»Klar«, sagt er und rückt ein Stückchen näher. »Sie wartet draußen im Hof auf dich.«
Ich nehme meine Tasche und stehe auf. Itsy ist sicher nichts passiert. Wahrscheinlich zieht sie sich gerade freiwillig Koks durch die Nase und lässt sich anschließend nicht weniger freiwillig von diesem Anzugtypen durchbumsen. »Netter Versuch. Wenn du sie siehst, sag ihr bitte, dass ich nach Hause gegangen bin.« Damit lasse ich ihn sitzen und dränge mich durch den Pulk tanzender Körper zum Ausgang. Es ist noch nicht mal Mitternacht, als ich noch nicht mal betrunken zu Hause ankomme. Noch nicht mal richtig enttäuscht, dass meine neue beste Freundin mich genauso hängenlässt wie meine alte. Aber es ist natürlich auch dumm, ein wildfremdes Mädchen um seine Freundschaft zu bitten und wirklich nur eine Sekunde lang zu glauben, dass ich Lene und zehn Jahre meines Lebens einfach so ersetzen könnte. So dumm, dass man dafür eigentlich nicht mal einen Trost verdient hätte, aber ich brauche jetzt einen … Kakao … Einen heißen, süßen, schokoladig samtigen … Mist. Ich rühre Nutella in die heiße Milch, weil ich keinen Kakao im Haus habe, und damit finde ich doch noch einen Grund, um richtig enttäuscht zu sein. Von mir selbst. Weil ich ein Kind großziehen wollte und nicht mal Kakao im Haus habe. Kinder lieben Kakao, Kinder brauchen Kakao, das weiß doch jeder.
Ich trinke meine Nutella-Milch und gehe ins Bett.
Es sind nun vierunddreißig Tage, seitdem Erbse unter dem Fliederstrauch liegt, und ich staune selbst darüber, wie die Zeit vergeht. Am Anfang habe ich ihr immer Gute Nacht gesagt, weil ich mal in irgendeiner Babyzeitschrift gelesen hatte, dass Kinder besser schlafen, wenn sie Nachtrituale haben. Mittlerweile klappt es aber auch ohne, und ich bin fast ein bisschen stolz darauf. Und auch sonst, wie soll ich sagen, scheint es wieder anzulaufen.
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Birthday, liebe Lene. Ich wünsche dir alles Gute … Entf… Liebe und dass alles so kommt, wie du es dir wünschst. Weißt du noch, wie wir deinen Geburtstag letztes Jahr gefeiert haben? Gar nicht *gröhl* weil wir vom Reinfeiern so einen fetten Kater hatten :) Entf… Sachen mit *gröhl* findet Lene bestimmt auch nicht mehr lustig, jetzt, wo sie Mutter wird und das Niveau wahren muss … Ich hoffe, dir geht’s gut und … wie hieß der Typ noch mal? Egal … deinem Freund auch. Und eurem Baby auch. Bei mir ist alles … Entf… Verdammt, man sollte nachts um zwei keine E-Mails mehr schreiben. Besonders nicht nach zwei Eimern Caipirinha … Mir geht’s … Entf… Lene, du Arschloch … Entf… Also nochmal … Baby auch … Okay, weiter … Wie du noch nicht weißt, habe ich Erbse verloren. Das war … ja, was eigentlich ? Scheiße, ist das schwer … Entf… Leider hatte ich eine Fehlgeburt. Das war … hm … blöd. Ansonsten geht’s mir gut. Ich habe eine tolle neue Freundin … die mich genauso sitzenlässt wie du, du Doppel-Arschloch … mit der ich viel unternehme … Und in meiner Firma gibt es seit einer Woche einen neuen Kollegen. ER sieht super aus. Blond und braungebrannt, nicht besonders groß, aber gut gebaut. ER ist nett und ich wette, ER hat einen großen Schwanz … Entf… das geht so nicht! Das Niveau! Um Himmels willen, Puppe! Nochmal … neuen Kollegen. ER ist sehr nett. Heute war ich mit ihm, Franzi und Christian, einem Freund von ihm aus Hamburg – da kommt ER nämlich her – in der Strandbar … Entf… abends in der Strandbar … Entf… was trinken. Das
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