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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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irgendwie okay«, wenn Otto mich danach um meine Meinung bittet. Es ist sowieso egal, so wie alles immer noch ziemlich egal ist. Erbse will seit ungefähr zwei Wochen nicht so recht einschlafen unter ihrem Fliederstrauch, und ich schwanke zwischen dem tiefen Schwarz, das ich in meinem Herzen trage, und einigen lichten Momenten, die die Junisonne mir beschert. Selbst ernst gemeinte Tränen trocknen schnell bei fünfundzwanzig Grad im Schatten. Das ist rein physikalisch. Ein bisschen Glück täte mir gut, ich wäre bereit abzuschließen, aber alleine schaffe ich das irgendwie nicht. Ich bräuchte jemanden, der mit hilft. Gestern Abend habe ich sogar darüber nachgedacht, ob ich Lene anrufen soll. Es sind schon wieder fast drei Wochen vergangen, in denen ich nichts von ihr gehört habe. Neunzehn Tage. Aber wer zählt schon mit. Seit ihrem Besuch im Krankenhaus. Sie hat nie erfahren, dass Erbse tot ist, aber sie hat auch nie nachgefragt. Das ist wohl der Grund, warum ich nach dem ersten Tuten sofort wieder aufgelegt habe. Danach habe ich überlegt, ob ich nicht mal wieder ausgehen sollte, aber es erschien mir irgendwie unpassend. Ich wäre zu schwach, der freie Wille bleibt eine Illusion, wenn einem alles egal ist, ich hätte mich wieder betäubt, auf welche Art auch immer, und es hätte kein gutes Ende genommen.
    »Ich komme zum Vorstellungsgespräch um drei«, höre ich eine Frauenstimme draußen auf dem Flur. Otto und ich sitzen seit einer guten halben Stunde in seinem Büro und warten.
    »Kommen Sie rein!«, ruft er.
    »Hi!«, rufen zwei riesige Brüste auf zehn Zentimeter hohen Absätzen, die nebenbei noch eine junge, blonde Frau mitgebracht haben. Sie winkt so wild und heftig, während sie ins Büro stöckelt, dass man meinen könnte, sie versuche, sich zur Rushhour ein Taxi zu organisieren. »Ich bin ein bisschen spät, sorry. Der Verkehr war echt übel.«
    Ich sag’s ja: Rushhour …
    Sie wirft ihre Designerhandtasche auf den Schreibtisch und lässt sich auf einen freien Stuhl plumpsen. »Das könnt ihr euch nicht vorstellen! Ich war noch kurz beim Frisör und auf einen Sprung im Designer-Outlet. Wisst ihr, da hinten im Gewerbegebiet.«
    Otto schaut mich an, ich schaue zurück, und wir einigen uns still auf ein großes Fragezeichen.
    »Egal. Jetzt bin ich ja da!«, sagt sie triumphierend und lehnt sich im Stuhl zurück.
    Otto räuspert sich und schiebt ihre Tasche zur Seite, um an die Bewerbungsmappen heranzukommen. »Du bist also die … Isolde.«
    »Ich mag es lieber, wenn ich Itsy genannt werde«, strahlt sie.
    »Wie der Bikini!«, rutscht mir raus, und Itsy freut sich darüber. »Ja, genau! Der Teenie Weenie …« Wir kichern, bis Otto uns unterbricht. »Na gut, Isolde , dann erzähl uns doch mal, was du bisher so gemacht hast.«
    »Deine Schuhe gefallen mir«, flüstert Itsy derweil zu mir rüber. »Sind das Jimmys?« Otto räuspert sich nochmal. »Oh. Entschuldigung. Sie hat so geile Schuhe.« Und dann zieht Itsy ihr kurzes Röckchen in Form, setzt sich aufrecht hin, als wäre sie eine Schülerin, die gerade vom Lehrer aufgerufen wurde, und referiert über ihre bisherige Berufserfahrung. Sie habe schon als Nageldesignerin gearbeitet, als Leihfrau für schwule Prominente bei öffentlichen Veranstaltungen, als Bardame im Puff, als Bardame im Schickimicki-Club, als falsche Asiatin mit Perücke und Kimono im japanischen Gourmettempel, als Kindermädchen, Gogotänzerin, Callcenter-Agentin, Pizzabäckerin, Bodydouble für Jessica Alba, Arschdouble für Jessica Simpson, sie wolle sich jetzt auch einen kleinen Yorkshire anschaffen, den würde sie dann auch Jessica nennen, haha. Ihre Jobs haben sie in die USA verschlagen, nach Frankreich, Italien, Costa Rica und in die Schweiz. Nur auf dem Mond sei sie noch nicht gewesen, auch haha.
    »Und in der Werbung?«
    »Ach so, ja. Also, ich war in New York bei einer wahnsinnig schicken Agentur. Das hätte ich jetzt ja fast vergessen.«
    »Und welche Tätigkeiten hast du da ausgeführt?«
    »Weiß ich gar nicht mehr so genau. Aber ich glaube, ich hatte was mit dem Chef. Ist schon ziemlich lange her, wissen Sie.«
    »Oh.«
    »Aber ich denke, es könnte mir Spaß machen. Werbung und so.«
    »Na ja, Isolde. Wir suchen für die Stelle eigentlich eher jemanden, der weiß, was er tut.«
    Itsy winkt ab. »Ach, wer weiß das schon. Aber konkret heißt das, ich kriege den Job nicht?«
    Otto lacht. Erst jetzt. Ich kneife mir eigentlich schon seit der »falschen Asiatin« ins Knie,

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