Banalverkehr - Roman
ab sofort mindestens einmal pro Woche treffen.
»Versprochen«, lüge ich und schiebe sie aus der Agentur.
Der Abend läuft schlecht. Franzi und der neue Kollege hatten keine Zeit, mit mir auszugehen, und plötzlich gibt es wieder genügend Raum für Langweile und dieses furchtbare Gefühl der Leere. Zur Ablenkung versuche ich mich in etwas hineinzusteigern, und die Tatsache, dass Lene sich nicht auf meine E-Mail gemeldet hat, bietet den optimalen Nährboden für ein paar fiese, kleine Nervenbazillen. Sie hat alles kaputtgemacht. Wahrscheinlich schon, indem sie sich einfach in mein Leben hineingedrängt hat, damals, an der Uni. Wäre sie nicht gewesen, hätte ich vielleicht versucht, mich den Jutetüten anzupassen. Ich hätte meinen Minirock und meine hohen Schuhe gegen Jeans und Sneakers getauscht und so getan, als ob ich am ersten Tag gar nicht da gewesen wäre. Vielleicht hätten die anderen von der komischen Tussi erzählt, die gestern hier war. Ich hätte mitgelacht, Freunde gefunden und das Studium nicht nach dem ersten Semester abgebrochen, um mit Lene in eine andere Stadt zu ziehen. In eine größere, wo man Menschen wie uns zu schätzen weiß. Menschen mit Unterhaltungsfaktor, mit Starappeal, mit dem gewissen Etwas. Und das ist dann wohl der Anfang vom Ende. Ab hier wird es kalt und einsam, aber es gibt vieles, was man tun kann, damit man das nicht merkt. Und ich bin schließlich gut darin, nichts zu merken, habe ich doch nicht mal gemerkt, dass Lene mich benutzt hat. Aber hat sie das überhaupt? Hat sie mir alles nur vorgespielt? Das kann doch eigentlich nicht sein, dafür hat es sich zu gut angefühlt. Es waren multiple, schwesterliche Orgasmen. Und wir haben beide gestöhnt, laut und nach mehr. Alles gefakt. Es ist vorbei, und was bleibt, ist eine zarte, aber deswegen nicht weniger schmerzvolle Wehmut. Wehmut ist blöd. Alleinsein auch. Und ich bin so allein …
»Guck mal, Püppchen, wen die Mama dir hier mitgebracht hat!«
Es ist Timmy, ein kleiner, weißer Plüschaffe – Gesicht und Händchen aus Plastik. Ich bekomme ihn, als ich fünf bin. Timmy hat ein Mundloch, in das er seinen Daumen stecken kann, und er liegt jede Nacht neben mir im Bett. Ich glaube, er ist mein bester Freund. Irgendwann fahre ich übers Wochenende zu Oma und Opa. Timmy kommt mit. Natürlich kommt er mit. Er ist mein bester Freund! Oma macht mir zum Abendessen ein Brot mit Butter und Leberwurst. Ich vertrage keine Butter unter der Wurst, aber ich esse auf. Ich bin ein gutes Kind. Ich tue alles, um anderen eine Freude zu machen. In der Nacht muss ich brechen. Senkrecht im Strahl gegen die Schräge über meinem Bett. Das Erbrochene tropft von der Wand zurück auf mein Gesicht. Und auf Timmy. Ich werde gewaschen. Timmy auch, aber nur einer von uns wird den Kotzegeruch wieder los. Oma versucht es zwei-, dreimal, dann gibt sie auf. Timmy soll sterben, entsorgt werden in einem großen, blauen Plastiksack. Oma verspricht, mir eine neue, hübsche Puppe zu kaufen. Gleich am nächsten Tag. Aber ich will keine neue Puppe, ich will Timmy und rette ihn aus dem Müllsack. Oma, lass die Finger von ihm!
Mein Gesicht ist warm und nass. Ich atme tief durch … Das kann doch nicht dein Ernst sein, Puppe!? Du bist eine erwachsene Frau und verbringst den Abend mit einem imaginären Plüschaffen. Diese schwachsinnigen Butterfahrten, auf die ich meinen Geist schicke, helfen doch auch nicht weiter. Ich muss etwas tun. Aber was macht man mit Zeit, die man hat, aber nicht haben will? Darf man Zeit überhaupt nicht haben wollen? Ist das nicht irgendwie Frevel am Leben? What would Jesus do? Oder Pater John-Jeff-Bob? Ich glaub, jetzt flippe ich wirklich aus. Ruhe! Genau. Erst mal beruhigen. Beruhigen ist gut. Und eine rauchen. Rauchen ist nicht gut, aber beruhigt. Und das ist dann wiederum gut.
Ich stehe auf und hole mir eine Zigarette. Während ich rauche, wird mir klar, dass ich dringend dieses Irgendwas brauche. Etwas, dass mir Sinn gibt. Etwas Reelles.
»Hi Itsy«, sage ich am Telefon und bin mir der Ironie durchaus bewusst. »Hast du Lust, was zu unternehmen?«, fragt sie und meint Schwanzjagd .
»Nein, ich kann nicht.«
»Wenn du deine Tage hast – ich kenne genug Typen, denen das nichts ausmacht. Sogar einen, der dafür zahlen würde.«
Ich weiß jetzt schon, dass ich nicht ungeschoren davonkomme. »Äh, nee«, versuche ich abzuwiegeln, »meine Tage hab ich nicht. Ich will nur keine Kerle aufreißen. Wollen wir nicht mal was machen, was
Weitere Kostenlose Bücher