Banalverkehr - Roman
für meine neue, tolle Beziehung. Ich muss ihn unbedingt mal nach seinem Namen fragen … Ich sag nur: Spitzenpla n! Bis auf das Timing, zugegeben. Diese eine Stunde nach Feierabend, in der ich Itsy in eine Parfümerie geschleppt hab, hätte ich mir vielleicht auch sparen sollen.
»Was machen wir hier?«, hat sie gefragt, während ich wie ein drogengeflashtes Eichhörnchen durch den Laden gerannt bin.
»Ich will wissen, wonach er riecht!«
»Wer?«
»Mein neuer Kollege, der heute zum Abendessen kommt.« Ich brauchte eine zweite Nase, das erschien mir sinnvoll. »Er riecht irgendwie dezent markant.«
Itsy tippte mit dem Finger gegen ihre Stirn. »Dezent markant. Du willst mir jetzt nicht sagen, wir müssen hier an jedem Scheiß Parfum riechen, oder?« Ich sah sie nur an, denn eigentlich war es genau das, was ich sagen wollte. Es sei denn, wir würden früher auf seinen Duft stoßen. Dann müssten wir natürlich nicht an jedem Flakon schnuppern.
»Sag mal, Puppe, spinnst du jetzt? Was ist denn bloß so toll an diesem Typen?«
Ich benebelte meine Sinne mit Hugo Boss. Das war er nicht, sein Geruch. Ich suchte etwas, das nach mehr … hach … roch, nach einem dunkelblonden Mann mit Augen, die so blau sind, fast schon unverschämt blau, mit warmen Händen, nicht diesen scheußlich schwitzig-nervös warmen, sie sind ganz trocken und groß und können kräftig zudrücken, das hatte ich schon beim Vorstellungsgespräch festgestellt. Ein Wesen, das ruhig bleibt, während andere sich die Köpfe einrennen, wenn es um die Frage geht, ob der nachbearbeitete Busen nicht doch noch ein bisschen tütenförmiger aussehen sollte. Er sitzt dann da und lächelt nur, als stünde er über allem. Er ist so cool, geht freiwillig in die Nachtschicht, um tagsüber im Englischen Garten zu chillen, ja, er sagt »chillen«, und aus seinem Mund klingt es unendlich schick. Er riecht nach mehr, danach, dass ein Mädchen mit viel Fantasie, das ganz tief drinnen noch an die große Liebe glaubt – auch, wenn sie das nie zugeben würde –, ihn sehen und sofort denken müsste: Der ist es. Entweder er ist der Mann fürs Leben, oder er bricht mir das Herz. Und dann spricht er auch noch mit ihr! ER ! Und er kümmert sich an diesem Abend in der Strandbar nur um sie! Und er macht sich Sorgen, weil es gefährlich ist, sich mit Fremden einzulassen. Er ist an ihr interessiert und in dieser Nuance ist nicht der leiseste Hauch Märchen, das riecht, als könnte es klappen, nach einem Neuanfang, nach einer Möglichkeit. Aber wie sollte ich Itsy das erklären?
»Er wäre eine super Vorlage für eine männliche Sexpuppe. Die kennst du doch, oder? Die aus Gummi.« Itsy fing an zu lachen, ich auch und wir fragten einander lautstark, ob es tatsächlich Frauen gäbe, die Sex mit Gummimännern hätten, als … »Das ist es! Jil Sander!«
»Gummi – hihihi!«
»Entschuldigen Sie, die Damen, wir möchten sie bitten, unsere Parfümerie zu verlassen. Die anderen Kunden fühlen sich gestört.«
Wir sahen uns im Laden um. Ein halbes Dutzend Spielverderber.
Mit einem Rumms und fünf km/h ramme ich meinen Einkaufswagen in die Fersen einer ungefähr sechzigjährigen Dauerwellenträgerin und bin zurück in der Gegenwart, mit perfekt lackierten Fußnägeln und dem Wissen um den Duft meines Gastes, und habe nach all der verschwendeten Zeit nun keine mehr übrig, um ein aufwendiges Menü zu kochen.
»Können Sie mal aufpassen?«, meckert die Frau, und ich finde es völlig unnötig, dass sie versucht noch mehr Stress zu verbreiten. Ich habe noch eine knappe Stunde und keine Idee. Ich nuschele eine Entschuldigung und werfe in der Hoffnung auf Inspiration noch einen Blick in ihren Einkaufswagen, als ich vorsichtig an ihr vorbeischleiche. Damenbinden, ein Rätselspaßheft und Gelierzucker. Das ergibt auch kein Menü. Scheiße. Aber dann entdecke ich im nächsten Gang die Lösung für mein Problem: Essen aus der Tüte! Jawoll, diesen Spracke ich vöstehe, Baby! Jetzt kann es also losgehen. Ich bin bereit für mein neues Leben, das nach Jil Sander Sun Men duftet, und beinahe besessen davon, glücklich zu werden. Ich hoffe, er ist wirklich so, wie ich ihn mir vorstelle. Er muss so sein. Er muss es sein.
Zu Hause öffne ich die Packung und staune, dass aus ein paar trockenen Nudeln und jeder Menge grauem Pulver eine Nudelpfanne Bauernart werden soll. Ich koche Wasser, schütte den Tüteninhalt rein, rühre und lasse die leere Verpackung ganz unten im Mülleimer
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