Banalverkehr - Roman
Erwachsene so tun? Wir könnten zum Beispiel essen gehen.«
Eine Stunde später treffen wir uns im Steakhouse. Itsy trägt ein enges, buntes Kleid, und so wie sie aussieht, weiß ich, dass sie versuchen wird, mich doch noch zum Ausgehen zu überreden. Und ich habe Recht.
»Ich kann wirklich nicht.«
»Du hast doch deine Tage!«
»Nein, das ist es nicht. Ich habe Angst …«
»Vor Schwänzen?«
»Nein. Ich hab grad eine echt beschissene Phase hinter mir. In die ich überhaupt erst reingerutscht bin durch solche Geschichten. Deswegen sollte ich nicht …«
… hier sein.
In diesem Club. Mit einem halben Liter Tequila im Magen und dem nackten Arsch auf einem kalten Waschbecken im Männerklo. Bei diesem Typen und seinem Frust darüber, dass er heute die Scheidungspapiere bekommen hat und seine Frau, zukünftige Exfrau, ihn ausnehmen wird wie eine Weihnachtsgans. Hat er mir erzählt, bevor wir zusammen auf die Toilette gegangen sind. Itsy sollte auch nicht hier sein. In dieser Kabine, vor seinem Freund kniend, dessen Atem immer schneller wird, bis er schließlich laut aufgrunzt.
»Hör auf«, sage ich und schiebe den Mann von mir weg. »Ich will nicht mehr.« Er versucht mich zu küssen, aber ich wehre mich. »Nein, es reicht jetzt.«
»Okay, okay«, sagt er hastig und zieht seine Hose hoch.
»Alles in Ordnung?«, fragt Itsy, die in der offenen Kabinentür steht und sich die Mundwinkel sauber wischt.
»Nein«, sage ich. »Lass uns gehen.«
Sie braucht ungefähr eine halbe Stunde vor dem Spiegel, bis sie mit den Restaurationsarbeiten an ihrem Make-up zufrieden ist. Ich warte vor der Tür. Es ist mir egal, ob meine Wimperntusche verlaufen ist.
»So«, sagt sie, als sie endlich rauskommt, »da bin ich. Wie seh’ ich aus?«
Wir verlassen den Club und spazieren durch die dunklen Straßen. Itsy war bestimmt auch ein Stubenhockerkind, denn sie hasst Spazierengehen und kommt eigentlich auch nur mit, weil sie glaubt, wir würden die Location wechseln.
»Gehen wir in die Suite?«
»Ich glaube, ich gehe nach Hause.«
»Jetzt schon?« Ich kann ihr Gesicht nicht sehen, weil es zu dunkel ist, aber von ihrem enttäuschten Ton schließe ich auf die Schnute, die sie jetzt zieht.
»Ich muss morgen arbeiten.«
»Noch ’n Stündchen?« Schnute.
»Lieber nicht.«
»Menno.« Schnute.
Wir gehen ein Stück weiter. Unsere Absätze klackern unisono auf dem Asphalt.
»Vielleicht hätte ich gerne eine Beziehung«, überlege ich. »Eine richtige.«
Itsy stöhnt. »Echt? Wäre mir zu langweilig.«
Wir holen uns am Bahnhof noch einen Kaffee, zwecks Spontanausnüchterung, und gehen dann getrennte Wege. Itsy in die Suite und ich nach Hause. Wo niemand auf mich wartet. Nicht mal Muschi, denn bei diesem Wetter ist sie tagelang am Stück unterwegs. Wahrscheinlich mit ihren Katzenkumpels. Alle haben Freunde. Nur ich bin wie immer allein. Was Lene angeht, muss ich endlich begreifen: Es ist aus. Jemand Neues muss her, am besten die Liebe fürs Leben. Alles andere wäre sinnlos. Wieder nur gefakte Orgasmen und verschwendete Zeit. Eine Beziehung mit einem Mann, den ich gut finde. Das könnte eine optimale Basis sein. Einer, den man nicht nur erträgt, sondern mit dem man vielleicht sogar … Nein, auf jeden Fall gerne zusammen ist. Spitzenplan ! Zumindest jetzt. Im Moment. Um kurz nach eins. Mit Restalkohol im Blut.
»Wahnsinn«, sagt Franzi, als ich ihr nach der täglichen Schokoeier-Anekdote die von meinem nackten Arsch auf dem Waschbecken erzähle. Ich weiß nicht, warum. Vielleicht erwarte ich, dass sie etwas Vorausschauendes sagt. Etwas wie: »Es ist gefährlich, sich mit fremden Männern einzulassen.«
»Wie schaffst du es bloß, sofort jeden Kerl rumzukriegen?«, staunt sie stattdessen und drückt ihre Zigarette aus. Wir sitzen auf der Dachterrasse der Agentur und machen eine Pause. »Ich hol mir schnell noch ’ne Kippe, okay?«
Während sie reingeht, rufe ich ihr hinterher: »Du verstehst es einfach nicht!«
Niemand versteht mich.
Ich sitze mit dem Rücken zur Tür, deswegen habe ich ihn nicht bemerkt und zucke zusammen, als ich seine Stimme höre. »Ich verstehe es auch nicht, um ehrlich zu sein.« Ich drehe mich um und sehe ihn im Türrahmen stehen. Den neuen Kollegen, an dem ich immer schnüffele. Schnell schließe ich die Augen und bete zu Gott, dass er, ER , nicht die ganze Geschichte gehört hat. Schließlich zahle ich jeden Monat Kirchensteuern, da kann ich schon mal was erwarten für mein Geld.
»Du verstehst
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