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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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es nicht, weil du nicht alles mitbekommen hast?«, frage ich vorsichtig, ohne mich nochmal umzudrehen.
    »Es ging um deinen nackten … Du weißt schon. Du warst ja live dabei.«
    »O«, sage ich.
    Er verlässt seine Türrahmenposition und setzt sich neben mich. Schnell schließe ich nochmal die Augen und bete gleichzeitig zu allen potenziellen Wunscherfüllern, die mir einfallen. Lieber Gott, Buddha, Allah, Jehova, Ron L. Hubbard, Weihnachtsmann, bitte macht, dass ich die Augen öffne, und er sitzt nicht mehr neben mir. Ich zwinkere und möchte auf der Stelle im Boden versinken. »Du bist noch da …«, sage ich und kichere verlegen. Das ist jetzt richtig peinlich.
    »Ja. Und ich verstehe nicht, warum du so was machst? Erstens ist es nicht ungefährlich, sich mit wildfremden Männern einzulassen, und zweitens hast du das doch überhaupt nicht nötig, oder?«
    »Ich weiß gar nicht, was du meinst.« Ich überlege, ob ich noch schnell unauffällig auf ein anderes Thema umschwenken könnte. Ist schließlich so schönes Wetter heute. Blauer Himmel. Bestimmt fünfundzwanzig Grad. Der Juli startet gut.
    »Schönes Wetter heute, findest du nicht?«, frage ich und lächle ihn an.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass du wirklich so bist«, ignoriert er den Wetterbericht und bietet mir eine Zigarette an. Ich nehme eine aus der Packung, zünde sie an und nehme einen tiefen Zug. Nicht meine Marke, viel zu stark.
    »Ich hab auch nie behauptet, ein toller Mensch zu sein«, sage ich schnippisch und beschließe, ihn ab sofort langweilig und hässlich zu finden. Und er stinkt. So.
    »Dabei bist du toll. Aber du machst dich selber klein. Warum? Was hast du dir denn getan, dass du das verdienen willst?«
    »Hey, wir wollen mal nicht übertreiben! Ich hatte Sex mit einem Typen auf ’ner öffentlichen Toilette. Ich hab mir nicht die Pulsadern aufgeschnitten oder so was.«
    Er nickt. »Ich weiß. Aber wenn du jetzt sagst, dass es sich nicht wenigstens einen kleinen Moment lang genauso angefühlt hat, dann lügst du.«
    Ich stehe auf und werfe die angerauchte Zigarette in den Aschenbecher. »Weiß nicht, wie sich das mit den Pulsadern anfühlt, deswegen …«, ich zucke mit den Schultern, »wenn du dich für so was interessierst, solltest du dich mal mit Franzi unterhalten.«
    Ich will gerade reingehen, als er sagt: »Ich will mich aber mit dir unterhalten.«
    Ich drehe mich nochmal um. »Du hast doch keine Ahnung.«
    »Dann hilf mir auf die Sprünge. Echt, ich bin ein guter Zuhörer.«
    »Na dann, herzlichen Glückwunsch.« Ich starte noch einen Versuch reinzugehen, komme aber keine zwei Schritte weit. »Kannst du kochen?«, fragt er.
    »Hä?«
    »Kannst du, oder kannst du nicht?«
    »Ich … hm, klar, kann doch jeder«, sage ich.
    »Dann mach doch heute Abend mal was Sinnvolles und koch für mich!«
    »Bitte, wie?«
    »Super. Dann bin ich um acht bei dir, wir essen was, und dann kannst du mir ja erzählen, was da so abgeht bei dir.« Ich nicke verstört und gehe schnell rein, bevor ihm noch mehr ABM einfallen.
    Kochen. Kochen. Kochen.
    Mist. Mist. Mist.
    Es ist 19.07 Uhr, und ich renne panisch durch den Supermarkt, zum ersten Mal nicht mit dem Gefühl, ich wäre auf dem Kiez. Es ist eher, als wäre ich in einem fremden Land, und die ganzen Nahrungsmittel sind Vokabeln, die ich zu sinnvollen Sätzen kombinieren soll, obwohl ich keine einzige davon verstehe. Das kommt davon, dass du immer so lecker gekocht hast, Mama! Wieso sollte ich jemals den Wunsch gehabt haben, selber kochen zu lernen? Mama ist also schuld, aber das hilft mir nun auch nicht weiter, und ich ärgere mich, weil ich, anstatt wenigstens ein Rezept im Internet zu recherchieren, den halben Nachmittag damit verbracht habe, mir Sprüche für eine Anti-Hornhautcreme zu überlegen. Na ja, nicht den halben Nachmittag, okay, ungefähr eine Stunde lang. Die restlichen drei musste ich darüber nachdenken, ob ich mir die Fußnägel mit Dark Pepper oder doch lieber mit Guilty Rosewood anmalen sollte. Das hat mich so vereinnahmt, beinahe hätte ich Lutz nach seiner Meinung gefragt, immerhin war er immer sehr euphorisch, wenn es um meine Fußnägel ging. Aber dann ist mir eingefallen, dass wir einander ja seit unserem letzten Treffen ignorieren. Lutz … Der hätte mir auch mit Rezepten weiterhelfen können. Doch er fände bestimmt nicht gut, dass ich für einen anderen Mann kochen will … Menno! Aber ich muss mich doch anstrengen! Immerhin wäre er, ER , ein potenzieller Kandidat

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