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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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verschwinden. Easy. Kochen ist spitze.
    Im Topf brodelt es. In mir irgendwie auch. Vor Nervosität. Gleich müsste er kommen, jede Minute, nein, eigentlich müsste er schon da sein, denn es ist fünf nach acht, und der Brei wird immer dicker. In den nächsten zehn Minuten kippe ich fleißig Wasser nach und bin mir irgendwann nicht mehr sicher, ob es hier wirklich um ein Essen geht oder ob ich gerade einen neuen Superklebstoff erfinde.
    Dann klingelt es endlich, und ich schwanke einen Moment lang zwischen Ohnmacht und Tür aufmachen. Ich atme noch mal tief und tiefer und entscheide mich dann die Tür zu öffnen.
    »Komm schnell, das Essen ist fertig!«, rufe ich aufgeregt.
    »Riecht gut«, sagt er und folgt mir in die Küche. So nah, dass ich feststellen kann, dass er mindestens genauso gut riecht. Also, besser natürlich. Jil Sander.
    »Erst dachte ich ja: Sieht ein bisschen komisch aus, aber vom Geschmack her ist es wirklich lecker«, sagt er, nachdem ich das Essen und eine Flasche Wein serviert habe.
    »Danke«, sage ich. »Ich koche für mein Leben gern.«
    »Das schmeckt man.«
    »Und alles Bio …« Also, Glutamat.
    »Siehst du, genau das meine ich, Puppe. Du hast doch andere Qualitäten. Wieso lässt du dich auf deine, du weißt schon was, reduzieren?«
    »Sprichst du das Wort eigentlich aus Niveaugründen nicht aus?« Scheinbar ist das gerade die Volkskrankheit Nummer eins. Hat bestimmt die Bildzeitung in Umlauf gebracht.
    »Was? Äh, nein, aber …«
    »Schon gut. Das scheint zu grassieren. Aber dagegen hilft Wein«, sage ich und gieße ihm nach.
    »Du willst ablenken.«
    »Was? Wovon?«
    »Sei doch mal ehrlich.«
    Ich stelle fest, dass es ein schmaler Grat ist zwischen interessiert und lästig sein. Immerhin lernen wir uns doch gerade erst kennen, und es würde reichen, wenn er mich fragen würde, welches Parfum ich benutze. Oder ob er mich küssen darf.
    »Du, jetzt mal ganz im Ernst.« O Gott, jetzt fange ich meine Sätze also schon mit »Du« an. Das in Kombination mit Niveau. Was macht ihr eigentlich mit mir? »Ich dachte, wir könnten uns einfach einen netten Abend machen.«
    »Klar. Aber ich wüsste schon gerne, mit wem ich einen netten Abend verbringe.«
    Das hatte ich mir nun wirklich einfacher vorgestellt. Ich trinke mein Glas auf einen Zug leer und hoffe, dass ich auf einen Schlag betrunken bin. Dann hätte ich den Mut, meine Bluse aufzureißen und ihm meine Möpse zu zeigen. Die sind zwar nicht groß, aber ich wette, dass er damit nicht rechnet und sofort alles andere vergessen würde.
    »Du schämst dich!«, ruft er, während ich mein Glas absetze und mir klarwird, dass ich immer noch nüchtern bin. Mist.
    »Wofür?«
    »Mein Gott«, stöhne ich und gieße uns beiden nochmal Wein nach. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. »Ich schäme mich nicht. Also, ich weiß auch nicht … Ich wüsste jetzt gar nicht, wo ich anfangen sollte.« Ich stammele noch ein bisschen herum, aber er kommt gar nicht auf die Idee, mir aus dieser peinlichen Situation herauszuhelfen. Unbeeindruckt zieht er sich viele unsinnige Halbsätze rein und sieht mich einfach nur an. »… Tja …« Furchtbare Momente. Ich wünschte, ich könnte das beenden. Aber es klappt nicht. Der würde sich wahrscheinlich noch bis morgen früh vollstammeln lassen. Unterbrich mich doch bitte einfach! »Du würdest es bestimmt eh nicht verstehen …«
    Also schön, ich gebe auf.
    Und erst dann werden aus den unsinnigen Halbsätzen tatsächlich Sätze, die Sinn ergeben. Ich verstehe es selbst nicht so richtig, aber irgendwie geht es darin um Lene, einen beschämenden Absturz inklusive eines partiellen Drogenrausches, zur Wahrung des Niveaus führe ich das allerdings nicht weiter aus, den kläglichen Versuch, ein Krapfen zu werden, einen Mann, den ich nicht lieben konnte, und einen erbsenähnlichen Zellhaufen, dessen Reste man mir kürzlich aus dem Körper gekratzt hat. Am Ende fange ich an zu weinen. Nicht, weil ich muss, nur sicherheitshalber. Er hört zu, trinkt ab und zu einen Schluck Wein und nimmt mich schließlich in den Arm.
    Es fühlt sich warm an.
    Er ist es. Ich spüre es. Wie er mich im Arm hält, das ist so richtig, so vertraut, und ich weiß instinktiv, dass ich darauf mein Leben lang gewartet habe. Dass es sich einmal genauso anfühlen würde. Ich wollte mich verlieben, und jetzt kann ich es tatsächlich, weil ich mir prompt den richtigen Mann dazu ausgesucht habe. Das ist verwirrend, am meisten für mich selbst, und liegt

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