Banalverkehr - Roman
vermutlich an diesen geilen, kleinen Glückshormonen, die sich wie hartnäckige Patina auf der Innenseite meines Schädels ablagern. Ich gäbe alles dafür, wenn dieser Moment für immer dauern könnte.
Tut er aber nicht. Eigentlich ist er sogar ziemlich schnell vorbei, und wir verbringen den Rest des Abends gemeinsam im Bad. Ich über der Kloschüssel, er über dem Waschbecken. Die Bio-Glutamate fordern ihren Tribut.
»Ich muss dir was sagen«, stöhne ich während einer Kotzpause. »Das war ein Tütenessen.«
»Hab ich mir gedacht«, würgt er hervor, »ist schon okay.«
»Wollen wir mal Plätze tauschen?«, frage ich gastfreundlich. »Dann kannst du dich auf den Boden knien und musst nicht die ganze Zeit so gebückt stehen. Das ist nicht gut für den Rücken.« Bevor der nächste Schwall kommt, schafft er es zu nicken, lässt sich auf den Boden gleiten und kriecht zur Kloschüssel. Als die Abstände zwischen den Kotzattacken größer werden, setze ich mich neben ihn.
»Ich mach das öfter«, sage ich. Ich will keine Geheimnisse vor ihm haben. Geheimnisse sind Beziehungskiller, hab ich mal gehört. Ich muss mich reinigen, Kotz-Katharsis sozusagen.
»Wie meinst du das?«
»Ich bin Teilzeit-Bulimiker, aber mach dir keine Sorgen. Ich hab das voll im Griff.«
»Okay.«
Er findet es okay und ist wirklich unglaublich! Ein Mensch, der mich so nimmt, wie ich bin. Habe ich wirklich so ein unfassbares Glück? Das ist schon fast so viel, dass es sich kaum ertragen lässt.
Ich wache auf. Neben Edo. Wir hatten keinen Sex. Um ehrlich zu sein, haben wir nicht einmal geknutscht, aber bei wahrer Liebe geht es ja nicht ausschließlich um Körperlichkeiten, deswegen ist das in Ordnung. Im Gegenteil: Es wäre einfach für ihn gewesen. Ich war angetrunken und hatte mich schwachgekotzt, aber er hat bewiesen, dass er ein wahrer Gentleman ist. Dass er anders ist als all die anderen. Der Tag beginnt mit einem neuen, überwältigenden Hormonschub.
»Wie spät ist es?«, fragt er und sieht unglaublich gut aus, wie er sich so in meinem Bett streckt.
»Kurz vor halb acht«, sage ich. Höchste Zeit zum Aufstehen, aber ich lasse nicht zu, dass ein dummer Wecker, eine lästige Pflicht wie die Arbeit diesen zauberhaften Moment zerstört. Ich will nicht, dass er endet. Ich will ihn in Zeitlupe. »Wollen wir heute nicht krankmachen? Wir könnten was Schönes unternehmen. An den See fahren zum Beispiel.«
»Klar«, sagt Edo. Weil er den Moment genauso auskosten will wie ich. Er dreht sich nochmal um und schläft eine weitere Stunde, die ich nutze, um mich hübsch zu machen. Für Edo. Dann sitzen wir in seinem Cabrio (ich wollte schon immer einen Freund mit Cabrio!) und der Wind versucht, die Frisur, an der ich eine halbe Stunde lang gearbeitet habe, kaputt zu machen. Ich komme gar nicht hinterher, mir durch die Haare zu fahren, um sie zu bändigen.
»Du siehst gut aus«, sagt er, ohne herzuschauen. Er findet mich schön!
»Danke«, sage ich und kann den Wind nun unbeeindruckt weiterarbeiten lassen.
Als wir am See auf unserer Decke in der Sonne sitzen, fühle ich mich bereit für den nächsten Schritt. Der Himmel schenkt uns sein leuchtendstes Blau, mein Bauch ist ganz flach, nachdem ich mich gestern stundenlang erbrechen musste, und ich schätze, dass ich in meinem Bikini umwerfend aussehe. Es stimmt einfach alles.
»Wollen wir uns jetzt küssen?«, frage ich also.
Edo schiebt sich schnell eine Zigarette in den Mund. Wahrscheinlich ist er ein bisschen nervös. »Na ja, weißt du, normalerweise küsse ich eine Frau nur, wenn ich mir mit ihr eine Beziehung vorstellen kann.« Äh … Hä? … O! O nein, o nein, ich schäme mich so! Ich bin zu schnell, viel zu schnell! Edo will es langsam angehen lassen. Natürlich! Ich bin ja so dumm. Und er hat so was von Recht. Eine richtige Beziehung kann man eben nicht anknipsen wie einen Lichtschalter. Er weiß ja auch noch nicht mal, welches Parfum ich benutze. O Mann, ich möchte mir am liebsten die Hand vors Gesicht schlagen!
»Das verstehe ich absolut«, sage ich schnell und glaube umso mehr, dass das zwischen uns etwas ganz Besonderes werden muss.
»Kraulst du mir den Rücken?«, fragt er.
»Klar«, antworte ich und kraule, wie ich noch nie in meinem Leben gekrault habe. Ich bin so gut, dass, als ich fertig bin, Edo sich zu mir herüberbeugt und mich doch noch küsst. Es ist ein Zeitlupenkuss. Wie im Film. Unglaublich schön. Ich wünschte, ich könnte den Pausenknopf drücken, denn ich
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