Banalverkehr - Roman
kriege. Diese hässlichen, senkrechten. Hör auf damit! Entspann dich, sonst ist bald Botox fällig. Ich kann nicht. Und Botox wird sowieso fällig, denn die letzten Monate haben sich unschön in mein Gesicht eingegraben. Unsere Beziehung, Schinkenspeck, durchwachsen. Wir sind öfter zusammen, und dementsprechend sitze ich weniger oft auf der Bettkante und flehe um meine gute Nacht. Edo ist bei mir, und trotzdem fühlt es sich manchmal kalt an. Wir schlafen auch nicht mehr miteinander, weil … ich weiß eigentlich auch nicht, warum. Vielleicht hält er es für unhöflich, wenn sein Schwanz unserem Kind in die Stube kotzen würde oder so. Noch drei Monate. Ja, wenn ich in drei Monaten nicht mehr schwanger sein muss, dann können wir bestimmt wieder richtig glücklich sein. Ich werde nicht mehr dick sein, dick und unattraktiv, und auch diese ganzen Hormone werden uns nicht mehr terrorisieren. Bald …
»Ihr solltet euch schleunigst! Schleunigst! Um eine Wohnung kümmern!«, sagt Sigrid, als wir am Abend beim Italiener sitzen.
»Machen wir, Mutti«, sagt Edo.
»Ja, machen wir gleich nächste Woche«, sage ich.
»Schön, schön«, sagt Roy, und dann schweigen wir und warten auf das Essen. Ich finde es mehr als fair, dass ich mich stärken darf, bevor Sigrid mit dem nächsten Knaller um die Ecke kommt.
»Ich möchte gerne mit dir über Gott sprechen.«
»Was?«, frage ich und würge an meiner Salamipizza. Nicht wegen Gott. Sondern, weil ich diesen Satz sonst nur von dem dicken Mutter-Tochter-Gespann kenne, das Samstagmorgens immer an meiner Tür klingelt und mich zum Erwachen zwingen will. Dabei bin ich ja schon wach, sonst könnte ich wohl kaum an die Tür gehen und sie wieder wegschicken, haha. (Ich habe übrigens immer noch keinen neuen Gagschreiber, aber nachdem mir in der letzten Zeit kaum mehr zum Lachen zumute ist, hielt ich das für eine unsinnige Investition.)
»Glaubst du an Gott?«
Ich bin im Osten groß geworden. Da hat man nicht an Gott geglaubt, sondern an die Westverwandtschaft. »Na klar!«
»Gehst du auch regelmäßig zur Kirche?«
Westpakete rochen immer nach Gummibärchen. »Regelmäßig. An Weihnachten.« Obwohl meistens nur eine einzige Packung drin war.
»Das ist zu wenig. Der Glaube muss gepflegt werden.«
Aber als ich sechs war, sind wir in den Westen geflohen und konnten uns endlich so viele Gummibärchen kaufen, wie ich wollte.
»Wir gehen jeden Sonntag. Und mittwochs ist Bibelkreis.«
Hmmm, Gummibärchen.
»Hat Eduard dir das nicht erzählt?«
»Nein, hat er nicht, der Eduard. Und Edo auch nicht.« Am besten sind die grünen.
»Wir beten abends gemeinsam. So haben wir Eduard auch erzogen. Eduard, sag mal, betest du abends etwa nicht mehr?«
Obwohl die weißen auch lecker sind.
»Doch, Mutti.«
»Hä? Wann denn?« Nur die gelben, die hätten nicht erfunden werden müssen. Die schmecken wie es in der U-Bahn riecht.
»Das bekommst du wahrscheinlich nicht mit.«
Nach Pups.
»Es wäre sicher nicht schlecht, wenn du gemeinsam mit Eduard beten würdest. Gerade jetzt, wo du schwanger bist und Gottes Segen mehr denn je brauchst.«
Genau wie die Butterpopcorn- Jelly Bellys .
»Damit er euch ein gesundes Kind schenkt.«
Welcher Aromasadist erfindet denn bitte Pups-Geschmack?
»Vielleicht sollten wir morgen alle gemeinsam in die Kirche gehen. Was hältst du davon?«
Igitt!
Ich weiß noch nicht, was ich davon halte, erkläre mich vorsichtshalber aber mal einverstanden. Ich glaube, ich habe Angst vor Sigrid. Immerhin scheinen sie und Gott dicke Arschkumpels zu sein, und ab und zu bitte ich ihn ja doch um einen Gefallen. Da möchte ich eigentlich nicht, dass Sigrid ihm irgendwelche komischen Sachen über mich erzählt. Am Ende schickt er mir noch Schwangerschaftsstreifen oder Plattfüße. O Mann. Also ende ich doch noch mit einem Fisch auf dem Kofferraumdeckel. Wer hätte das gedacht? Am liebsten würde ich jetzt Lene anrufen und mit ihr darüber lachen. Das Leben ist ein Ironie-Schwein. Haha. Hahaha.
Lieber Gott,
ich soll jetzt abends immer beten. Okay, ich entschuldige mich dafür, dass ich Edos Eltern hasse. Weil sie mich nicht mögen. Und weil sie mir das Gästebad im Erdgeschoss zugeteilt haben, während sie und Edo das große Bad im ersten Stock benutzen. Das ist viel besser, weil es dort ist, wo auch die Schlafzimmer sind. Ich meine, was ist, wenn ich nachts plötzlich pullern muss? Dann muss ich voll die Treppen runterrennen! Vielleicht stolpere ich und falle! Aber das
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