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Banalverkehr - Roman

Banalverkehr - Roman

Titel: Banalverkehr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Eduard. Spätestens jetzt müsste sich der angedaute Krapfen wieder nach oben drücken.
    »Verzeih, Mutti«, Edo lässt den Kopf hängen. Bestimmt hasst er seine Mutter. Also, ich würde meine Mutter hassen, wenn sie wie Sigrid wäre. »Können wir jetzt hochgehen und uns hinlegen?« Er fragt seine Mutti um Erlaubnis! Der Krapfen hängt mir damit quasi schon im Hals.
    »Ihr könnt«, entscheidet der General. Edo erhebt sich und macht eine Bewegung mit seinem Kopf. Ich glaube, ich soll mitkommen. Wir schleichen also aus dem Wintergarten die breite Holztreppe hinauf ins Gästezimmer. In diesem ganzen, durchgeleckten Haus schwelt eine Aggression, und man kann nur hoffen, dass ich nicht wieder pupsen muss, sonst fliegt uns hier gleich alles um die Ohren. Ohne ein Wort lässt Edo sich auf das mit frischer weiß-blau gestreifter Bettwäsche bezogene Metallbett fallen und greift nach der Fernbedienung, die daneben auf einem kleinen Nachttischchen aus dunklem Holz liegt. Ich setze mich auf den Bettrand und sehe ihn an.
    »Du, Edo, ich hab da mal eine Frage.«
    »Hm«, brummt er und zappt durch das Programm.
    »Also, wie soll ich sagen? Ich finde es irgendwie komisch hier.«
    »Das ist keine Frage, das ist höchstens deine Interpretation«, sagt er und klingt dabei ziemlich abwesend. Es gibt ungefähr dreißig Sender, den richtigen zu finden, erfordert scheinbar vollste Konzentration.
    »Nein, du bist irgendwie so anders als zu Hause.« Edo lacht. Nicht wegen meiner Äußerung, sondern weil er einen Sender gefunden hat, der gerade Kenny sterben lässt. Die Schweine. »Also, du sitzt da so neben mir und guckst mich kaum an. Und du sagst auch kaum was.« Keine Reaktion. »Du könntest deinen Eltern ja mal erzählen, dass wir glücklich sind oder so«, besteht mein Ego darauf, im Moment wichtiger zu sein, und greift nach der Fernbedienung in Edos Hand. Der Bildschirm wird schwarz.
    »Mann, was soll denn das jetzt schon wieder?«
    »Wieso bist du so kacke zu mir vor deinen Eltern?«
    »Wieso denn kacke? Ich mach doch gar nichts!«
    »Ja, eben! Und es ist ja auch klar, dass sie mich nicht mögen, wenn du ihnen das Gefühl gibst, dass nicht mal du mich magst!«
    »O Gott, Puppe«, stöhnt er und holt sich die Fernbedienung zurück. Kennys Hinterbliebene sind wieder da und flackern bunt und fröhlich durch das Zimmer. Ich fühle mich nicht ernst genommen und fange an zu schniefen, erst leise, dann schon etwas lauter, als ich merke, dass er nicht reagieren will, und schließlich beginne ich zu heulen, unüberhörbar und in einem richtig fiesen, hohen Ton. Mit einem Mal schießt Edo nach oben, die Fernbedienung fliegt gegen die Wand neben dem Fernseher, es scheppert, und er dreht sich zu mir um. Seine Augen sind dunkler als sonst. Ich bin ein bisschen erschrocken.
    »Was zum Teufel ist eigentlich dein Problem?«, zischt er.
    Die Fernbedienung liegt in Einzelteilen auf dem Teppichboden, die Batterien, die Klappe fürs Batteriefach, alles verstreut.
    »Nichts«, sage ich ruhig und fast ängstlich, ohne meinen Blick von der Fernbedienung zu nehmen. Ich muss sie jetzt nicht bemitleiden. Es ist nur Plastik, Technik, gefühllos. Alles gut, Puppe. Oh nein, ich kann nicht anders! »Die arme Fernbedienuuung!«, brülle ich plötzlich los. Scheißhormone. Edo zuckt zusammen, springt sofort vom Bett, hebt die Teile auf und baut sie wieder funktionsfähig zusammen.
    »Jetzt hör halt auf zu heulen«, sagt er und klingt auf einmal wieder ganz anders. »Ich bin halt irgendwie gestresst. Oder was meinst du, wie meine Eltern das finden, dass ich meine Freundin zum ersten Mal mit nach Hause bringe, und die ist gleich schwanger?«
    »Entschuldige dich bei mir dafür, dass du mich vorhin so ignoriert hast!«
    »Puppe.«
    »Entschuldige dich dafür, dass du nichts gesagt hast, als deine Mutter mir ewige Fettleibigkeit prophezeit hat!«
    »Puppe!«
    »Dann entschuldige dich bei der Fernbedienung dafür, dass du sie gegen die Wand geworfen hast!«
    »Hör mal, lass mich bitte einfach ein bisschen chillen, kriegst du das hin?«
    Ich bin einen Augenblick lang still. »Dann entschuldige dich für irgendwas!«, fordere ich schließlich, aber das hört er schon gar nicht mehr. Der Bildschirm flimmert wieder, und Edo lacht. Über Cartman. Der tut nämlich immer so, als würde er seine Mutter hassen. Ich tue unterdessen so, als würde ich schlafen. Ich liege zusammengerollt auf dem Bett und kneife meine Augen so sehr zusammen, dass ich Falten über der Nase

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