Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
Dafür sind mehr Brasilianer unterwegs. Japaner sieht man wie Israelis fast überall, nur sind sie entweder so schüchtern oder sprechen so schlecht Englisch, dass sie unter sich oder allein bleiben. Polen, Ungarn oder Balten nehmen zu. Die Schweiz, England, die Niederlande und Skandinavien wären auf dieser Karte solide Mittelmächte von der Größe Brasiliens, mit einigem Abstand gefolgt von Frankreich und Italien. Praktisch nicht vorhanden wären ganz Afrika (mit Ausnahme Südafrikas), Indien, China – und die USA.
In den meisten Fällen baut Reisen Vorurteile ab. Engländer finden Deutsche gar nicht mehr so humorlos, wie sie immer dachten. Deutsche merken, dass nicht alle Nichtdeutschen sie automatisch für Nazi-Enkel halten. Deutsche und Israelis verstehen sich oft gut, weil die Deutschen ihren Täterkomplex abbauen und Israelis im Enkel des Mörders ihres Großvaters einen Menschen entdecken können. Beide fühlen sich daraufhin ein bisschen moralischer als zuvor. Italiener finden endlich das angemessene Forum, um zu sagen, dass nicht alle Italiener Berlusconi gut finden. Griechen sind nicht alle hochverschuldet, und viele Franzosen sind der Meinung, der Herstellung von Gänsestopfleber sollte verboten werden. Am Ende einer Reise hat jeder Teilnehmer mit Griechen, Polen und Engländern mindestens einmal auf Europa getrunken und Facebook-Freunde am anderen Ende der Welt.
Nur der latente Antiamerikanismus bei Backpackern, unter denen vor allem die deutschen Kinder des linken Bürgertums sind, erhält auf Reisen neue Nahrung. Die meisten Backpacker sind sich darin einig: Amerikaner fressen Hamburger, wissen nicht, wo Europa liegt, und machen Krieg. Sie sind für die Finanzkrise verantwortlich und den Coca-Cola-Kulturimperialismus. Außerdem klingt ihr Englisch komisch, und Michael Moore ist der letzte gute Mensch der USA.
Dass keine Amerikaner anwesend sind, um diese Vorurteile zu widerlegen, bestärkt es wiederum: Amerikaner sind ignorant, deswegen reisen sie nicht. Sie fahren in ihren knappen Ferien nach Daytona Beach zum Spring Break und nach Paris und Heidelberg, wenn sie alt sind. Auf dem Pancake-Pfad aber trifft man sie so selten wie Ukrainer. Vielleicht reisen US-Amerikaner lieber durchs eigene Land, das ist schließlich groß genug. Vielleicht schüren manche Fernsehsender tatsächlich das Gefühl, südlich von Texas beginne die Hölle. Vielleicht gibt es heute keine Backpackingkultur mehr – je weniger Leute daheim von Südostasien und Indien erzählen, desto waghalsiger erscheint den anderen ein solches Unternehmen.
Am nächsten Tag um acht Uhr beginnt unser Aufstieg. Mike hat jetzt einen kleinen Rucksack dabei, auf dem wieder die kanadische Flagge in Form zweier roter Balken und eines Ahornblattes prangt. Unser Führer, ein überdrehter Guatemalteke, holt uns mit einem Kleinbus am Hostel ab. Er stellt sich mit dem infantil klingenden Namen «Kiki» vor und sagt, dass dies ein großartiger Tag werden wird. Wir holen sechs weitere Wanderer in anderen Hotels ab. Unsere Gruppe besteht aus zwei sehr blonden Schwedinnen, einem hochgewachsenen Schweizer mit Billabong-Cap und drei Israelis. Mike stellt sich jedem mit dem Satz «Hi, I am Mike, I am from Canada» vor, was prinzipiell okay ist, aber auch ein bisschen aufgesetzt klingt.
Wir stapfen einen staubigen, mit dicken Steinen übersäten Trampelpfad nach oben. Hin und wieder wächst ein Strauch. Nach einer halben Stunde würde ich gern eine Pause machen, aber weder Kiki noch einer meiner Mitwanderer lässt irgendwelche Anzeichen erkennen, die man als Wunsch nach Rast interpretieren könnte. Es wird heißer, die Sonne brennt hier oben richtiggehend, und ich bilde mir ein, die dünne Luft bereits sehr deutlich zu spüren.
Mike unterhält sich mit dem Schweizer über das Bergsteigen. «Wir in Kanada steigen sehr oft auf Berge. Nicht so wie Amerikaner, die nur faul mit dem Auto fahren. Wir lieben das Bergsteigen.»
Die zwei Schwedinnen fragen Kiki, ob es stimme, dass alle Lateinamerikaner keine Amis mögen.
«Gringos», sagt Kiki. «Niemand mag Gringos.»
Warum?, wollen die Schwedinnen wissen.
Kiki zuckt mit den Schultern: «Bush, Krieg, Terror und so und wegen der Geschichte. Gringos eben.»
«Sind nicht alle Weißen Gringos?», fragt der Schweizer.
«Nein, nicht alle. Nur US-Amerikaner sind Gringos.»
«Wie nennt ihr die anderen dann?»
«‹Alemanes›, ‹suecos›, ‹italianos›, aber nicht Gringos. Nur Amerikaner sind
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