Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
so. Ungefähr zehn Leute leben in Tungs Bambusbungalows. Manchmal geht einer, manchmal kommt ein neuer dazu.
Manche der Neuankömmlinge wollen noch etwas unternehmen. Vorgestern ist ein Italiener angekommen, der erst Yoga am Strand machte und dann unbedingt die Sanddünen besichtigten wollte. Heute ist er schon ruhiger, obwohl er noch immer Yoga-Übungen macht. Nach spätestens drei Tagen wird man zum Faultier oder fährt wieder. Auch die zwei sehr großen und sehr blonden Schweden, die daheim wahrscheinlich fünf Sportarten betreiben, nicht rauchen und genauso viel Fleisch essen, wie es das schwedische Ernährungsministerium empfiehlt, liegen seit ihrer Ankunft unter einem Mangobaum und spielen Backgammon. Sie unterhalten sich fast nie. Das ist voll okay, finde ich. Aus einem ähnlichen Grund spreche ich das Mädchen in der Hängematte ja auch nicht an. Ich finde, die Dinge sind wie reife Kokosnüsse. Man muss nicht mit einer Machete auf eine Palme klettern und auf sie einschlagen. Wenn die Zeit gekommen ist, fallen sie herab. Mit dem Kennenlernen ist es ganz genauso: Wenn die Zeit gekommen ist, passiert alles von ganz allein.
Gut wäre es natürlich, wenn die Zeit jetzt schon gekommen wäre.
Sie und ich, stelle ich mir vor, wir könnten am Meer leben, in einer kleinen Bambushütte wie in dem Achtziger-Jahre-Kitschfilm Die blaue Lagune oder gleich wie Adam und Eva – Liebe ohne soziale Konventionen, ohne Schranken, nur wir beide allein in einem fremden Land. Wo, bitte schön, kann man sich denn besser verlieben als an einem Strand? Wo kann man sich besser das Gehirn rausvögeln als unter einem Mückennetz in einer Bambushütte? Wo kann man leichter eine unkomplizierte Affäre anfangen als auf Reisen? Und wo kann man eine komplizierte Affäre leichter beenden? «Morgen geht mein Zug nach Hanoi» schlägt als Trennungsgrund «Du, für mich fühlt sich das gerade nicht mehr so richtig an. Es liegt nicht an dir, aber ich brauche jetzt ein bisschen mehr Zeit für mich» schließlich um Längen. Hier gibt es keine sozialen Schranken, die überwunden werden müssen, keine Eltern, die irgendwen vorgestellt bekommen möchten, keine besten Freundinnen, die zu wissen meinen, was gut für einen ist. Sich auf Reisen verlieben – das sind Flitterwochen ohne Heirat.
In jedem Backpackerbuch oder -film geht es um Sex. In Moomlatz will eine junge Israelin ganz dringend ihre Jungfräulichkeit verlieren. In The Beach steht Leonardo DiCaprio auf diese Französin und die Campchefin auf ihn. In Hotel Very Welcome versuchen zwei Engländer den ganzen Urlaub lang nichts anderes, als Backpackerinnen aufzureißen. Man könnte meinen, der Banana-Pancake-Pfad sei eine einzige großartige Orgie, bei der sich junge Menschen aus aller Welt treffen, um sich miteinander zu vereinigen. Da vögeln Italiener mit Deutschen und Amerikanerinnen mit Polen und Engländer mit Schweizerinnen und Schweden mit allen, weil jeder die Schweden am schönsten findet. Alle werfen ihre Gene in einen Pool hinein und lieben sich in windschiefen Bambushütten, als ob es kein Morgen gäbe; im Hintergrund rauscht die Brandung, und ein Affe schreit durch die tropische Nacht.
Die Schweden sehen übrigens immer am besten aus, dicht gefolgt von den Norwegern und Dänen. Die schwedischen Frauen sind alle blond, haben schöne und trotzdem markante Gesichter und laufen herum, als würden sie für ein angesagtes Label modeln. Die Jungs sind noch größer, durchtrainiert und sehr freundlich. So freundlich, dass sie jeder mögen muss, auch die kleinen pickligen Jungs aus England. Jeder mag Schweden. Jeder möchte mit Schweden Sex haben. Besser gesagt: Jeder würde mit Schweden Sex haben wollen, wenn es überhaupt zu Sex käme. Aber so ist es nicht.
Tatsächlich wird nämlich überhaupt nicht viel gefickt. Paare haben zwar Sex, aber nur in den seltensten Fällen nicht untereinander. Paarsex kann man zur Genüge in billigen Hostels belauschen, deren Wände nicht dicker sind als ein Pfannkuchen. Es mag Leute geben, die sich von Sexgeräuschen angetörnt fühlen. Ich bin eher der Meinung: Nach Wochen ohne körperlichen Kontakt zum anderen Geschlecht kann einen der Sex der anderen in den Wahnsinn treiben.
Natürlich gibt es viele Zweiergruppen auf Reisen: beste Freundinnen und beste Freunde. Gleichgeschlechtliche Paare sind aber so aufeinander fixiert, dass Sex mit einer dritten Person einen schwerwiegenden Vertrauensbruch darstellt, der den weiteren Verlauf der Reise
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