Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
sich auf Deck, ich nehme ihre Hand, um sie nicht zu verlieren. Ein salziger Wind weht über unsere Haut, die Sonne ist grell und klar, ab und zu spritzt Meerwasser über unsere Haut. Die Motoren des Schiffes brüllen wie der Affe von letzter Nacht.
«Meinst du, es hört wieder auf?»
Es dauert Minuten, bis ich den Sinn ihrer Worte verstehe. Dann nicke ich. «Irgendwann vielleicht?»
«O Gott», sagt sie.
Ich lege meinen Kopf in ihren Schoß und versuche zu schlafen und nicht an den Affen zu denken. Ich bin einfach nur unglaublich froh, dass sie da ist.
An dieser Stelle müsste nun eine Pointe folgen, eine unerwartete Wendung, die den Leser noch ein letztes Mal mitreißt und ihn mit einem Lächeln oder zumindest einem Kopfschütteln zurücklässt. Aber es gibt keine. Und das ist wirklich romantisch. Echt jetzt. Außer, man trägt dabei Goretex-Jacken in derselben Farbe.
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Fucking planet
Ort: Mui Ne, Vietnam
«Zeigen Sie mir einen Backpacker, der keinen Sex hatte, und ich zeige Ihnen eine sehr traurige Person.»
Iris Bahr [18]
Sie liegt dort vorn in einer Hängematte. Sie ist faul und dabei sehr sexy. Einer ihrer Füße wühlt ab und zu im heißen Sand. Um ihren Knöchel hängt eine silberne Kette, die die Sonnenstrahlen reflektiert. Mit einer Hand greift sie ab und zu nach einer Kokosnuss, die ihr gerade ein ständig grinsender Vietnamese mit Zahnlücke namens Tung von einer Palme geholt hat. In ihrem Mundwinkel hängt eine Zigarette. Sie raucht wie Jean Seberg in Godards Außer Atem : cool, abgebrüht, lässig. Ihre Haut ist olivfarben, ihr Haar schwarz und lockig und vom Salzwasser strähnig.
Ich sitze auf einem Plastikstuhl etwa 20 Meter entfernt von ihr, trinke tagsüber Kaffee und abends Bier und starre ansonsten auf das Meer. Das Meer ist sehr ruhig. Es bewegt sich kaum. Selten fährt einer der russischen Touristen mit Wasserski vorbei oder wagt sich irgendjemand ans Kite-Surfen. Wir tun seit Tagen nichts, und das extrem. Wir bewegen uns so wenig, sind derart faul und unmotiviert, dass wir noch kein Wort miteinander gesprochen haben. Es hat sich einfach noch nicht ergeben. Ab und zu taucht einer ihrer Freunde auf und will irgendetwas von ihr. Die Freunde sind immer bärtig, leicht angefettet, aber sehr männlich. Sie haben ein Bärenfell auf der Brust. Wenn sie reden, klingt es, als würden sie streiten. Aber sie streiten nicht, sie unterhalten sich nur auf Hebräisch, und das klingt wegen der vielen Kehllaute manchmal aggressiv.
Der bärtige Mann verschwindet wieder, und sie baumelt weiter allein in ihrer Hängematte. Ich könnte sie ansprechen. Aber seit ich auf dieser Insel bin, ist mir alles zuwider, was auch nur im Entferntesten mit Anstrengung zu tun haben könnte. Ich habe mich von Jan inspirieren lassen – ich glaube jetzt, alles Wichtige passiert von allein. Viel zu oft meinen wir, wichtige Entscheidungen zu treffen, die unser Leben grundlegend verändern. Doch das ist eine große Illusion. Von diesem Konzept halte ich nicht mehr viel, seitdem die größte Gefahr in meinem Leben darin besteht, von einer herabfallenden Kokosnuss erschlagen zu werden. Das ist nicht so unwahrscheinlich, wie es sich anhört. Einmal am Tag fällt tatsächlich eine herunter. Man hört sie nicht, erst wenn sie knapp am eigenen Ohr vorbeisaust, zischt die Luft. Die Nuss knallt dann dumpf in den Sand. Von einer Kokosnuss erschlagen zu werden ist ein tragikomischer Tod – absurd, dämlich, ja, aber auch lustig. Man stelle sich nur vor, wie es daheim aufgenommen würde – wie der Sarg in deutschem Boden versenkt wird, die Gäste Erde und Blumen daraufwerfen. Es nieselt, ist grau und kalt, und auf dem Grabstein steht zu lesen: «Philipp Mattheis, 14. 1. 1979 München–6. 8. 2011 Mui Ne, erschlagen von einer Kokosnuss».
Auf jeden Fall hat sich bei mir dank der Kokosnussgefahr, dank Tung, der mir entweder Bier, Pho oder ein Sandwich bringt, und der Außentemperatur, die konstant bei 35 Grad liegt, ein gewisser Fatalismus eingestellt. Das Konzept eines aktiven, selbstgestalteten Lebens erscheint mir seit meiner Ankunft verfehlt. Leute, die ständig etwas verändern müssen, kommen mir hier überspannt vor. Ich bin jetzt der Meinung, dass sich die meisten Dinge von allein regeln, und wenn nicht, kann ich immer noch Tung mit der Zahnlücke fragen. Tung hat alles, was ich brauche: Bier, Omelettes, Zigaretten und Kokosnüsse. Tung gehört das Moon Sunshine. Wir Gäste sind hier alle
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