Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
ich mit zehn Dollar am Tag locker auskommen können.» Den letzten Satz schrie Sam in die Nacht: «Es muss zu schaffen sein!»
Sam hat mir nie gesagt, ob er tatsächlich nur wenig Geld hat und deswegen so versessen darauf ist, nicht mehr als zehn Dollar am Tag auszugeben. Ich glaube es aber nicht. Ich glaube, Sam hat genauso viel Geld wie alle anderen Backpacker. Für westliche Verhältnisse wenig, gemessen am Lebensstandard der einheimischen Bevölkerung aber unglaublich viel. Für Sam ist das Geldsparen ein Sport. Es erhöht seinen Road-Status.
Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Vang Vieng. Sam bestand darauf, nicht den klimatisierten VIP-Bus zu nehmen, sondern mit demselben Gefährt zu fahren wie die Einheimischen. Es handelte sich dabei um ein Fahrzeug osteuropäischer Fabrikation, das noch aus den Zeiten stammen musste, in denen Laos kommunistisch war. Wir konnten so abermals 40000 Kip sparen, hatten allerdings alle Hände voll zu tun, irgendwie die Fahrt zu überleben.
Vang Vieng ist eine kleine Stadt, nicht allzu weit von der laotischen Hauptstadt Vientiane entfernt. Ende der Neunziger war das Dorf noch ein verschlafenes Nest, in dem Bauern von Reisanbau und Viehzucht lebten. Seitdem aber ein paar Backpacker feststellten, dass es in unmittelbarer Umgebung des Dorfes Wasserfälle und Höhlen gibt und man sich für wenig Geld in einem Lkw-Reifenschlauch mit einem Joint und einem Bier in der Hand den Mekong hinuntertreiben lassen kann, boomt die Stadt. Heute sieht die Hauptstraße Vang Viengs aus wie eine abgespeckte Version der Khaosan Road in Bangkok: Es gibt Hostels, Reisebüros, Cafés, Souvenirläden, Bars und Motorradverleihe. Jedes Jahr trampeln Tausende von Backpackern aus der ganzen Welt durch den Ort und absolvieren dasselbe Programm: Tour zum Wasserfall, baden in einer Art Höhle, viel Reiswhiskey trinken (pro Kauf einer Flasche gibt es einen Joint kostenlos dazu) und dann im Reifenschlauch den Mekong hinuntertreiben. 2009 soll ein Ire dabei ertrunken sein. Seitdem müssen alle Backpacker ein Schriftstück unterschreiben, mit dem sie bestätigen, dass die Betreiber des Spektakels für Unfälle nicht haften.
Als wir gestern ankamen, begann Sam sofort wieder, jeden Hostelbesitzer nach dem Preis für ein Doppelzimmer zu befragen und ihn anschließend für seine Preispolitik zu beschimpfen. Nach drei Stunden hatten wir alle durch und zwei Probleme: Zum einen sind die Preise in Vang Vieng höher als in Vientiane, weil die Nachfrage größer ist. Zum anderen, und dieses Problem wog schwerer, gab es nur noch ein einziges Zimmer. Es kostete 20 Dollar oder 160000 Kip. Es dauerte eine weitere Stunde, bis Sam die Tatsache akzeptiert hatte, dass tatsächlich jedes andere Zimmer ausgebucht war. Sam sagte zu dem Laoten, der nicht älter als 18 Jahre aussah: «100000 Kip!»
Der Laote schüttelte den Kopf.
Sam sagte: «120000 Kip!»
Der Laote grinste, schüttelte aber dann den Kopf.
Sam presste unter offenbar großem Schmerz «140000 Kip» hervor, doch der Laote schüttelte abermals den Kopf.
Sam verkniff sich ein Fluchen, wobei sein Gesicht puterrot anlief. Wir nahmen das Zimmer, doch Sam schwieg den Rest des Abends über. Erst heute Morgen sprach er wieder.
Backpacker sind Billigheimer. Sie müssen es sein, weil sie sich bei nervenden Nebenjobs in Callcentern und Bars mühevoll 2000 Euro zusammengespart haben, die jetzt drei Monate reichen müssen. Aber sie wollen es auch sein: Für die wohlhabenden Mittelschichtskinder des Westens, die eine Stippvisite in die Armut unternehmen, ist die Pfennigfuchserei eine selbstauferlegte Kasteiung. Genugtuung entsteht allein daraus, pro Tag einen möglichst niedrigen Betrag zu verbrauchen.
«Sparen, sparen, sparen – das ist ein superwichtiger Teil, weil auf der anderen Seite gibst du dann für Alkohol zum Beispiel ziemlich viel aus, dann bist du auf der Suche nach einer billigen Unterkunft, die akzeptabel ist, nach dem billigsten ‹taxi ride›», erzählt eine Backpackerin namens Daniela in Jana Binders Buch Globality . «Teilweise ist es dann echt so: ‹Hey, wie viel hast du denn hierher gezahlt? Ha, ich war billiger!› Es ist halt einfach klar, du reist ‹on budget›, du musst gucken, wo du bleibst, sonst musst du halt früher nach Hause.» [20]
Sätze wie «Mein Tagesbudget sind zehn Euro!» werden mit Inbrunst und Stolz vorgetragen. Antwortet das Gegenüber: «Meines liegt bei 50 Euro», so outet es sich als versnobtes Weichei, das
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