Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
keine Ahnung vom wirklichen Leben in diesem Land hat. Dann ist er kein Backpacker, sondern ein Tourist, der aus Versehen von der Rollkofferautobahn abgekommen ist und sich auf den Banana-Pancake-Pfad verirrt hat.
Wer es mit wenig Geld schafft, ist härter, authentischer, unabhängiger. Er beweist sich: Geld ist nicht wichtig, und um Spaß zu haben, braucht man fast nichts davon. Die große Herausforderung, ein regelrechter Sport der Billigpacker ist es, nicht mehr als die Einheimischen zu bezahlen. Tatsächlich existieren in vielen Ländern zwei Preissysteme – seien sie offizieller Art wie in Vietnam oder ungeschriebene Gesetze wie in guatemaltekischen Bussen. Die meisten Backpacker empfinden diese Ungleichbehandlung als unlautere Wettbewerbsverzerrung bis himmelschreiende Ungerechtigkeit. Das Argument, immer noch um ein Vielfaches reicher zu sein als die Bewohner des Landes, durch das man reist, zählt nicht. Es geht darum, genauso wenig wie die Einheimischen zu bezahlen. Zwar gehört es zum guten Ton, die Globalisierung, die Wirtschaftsordnung, die Ausbeutung der Dritten Welt zu beklagen, und überhaupt: «Fuck USA, es ist eine Sauerei, dass es den Leuten hier so schlechtgeht, während wir daheim iPods und Markenklamotten haben» – doch über Lippenbekenntnisse oder das Tragen von T-Shirts mit linken Konterfeis (Che Guevara etc.) und Parolen geht die Solidarität selten hinaus.
Dass eine Phase des Verzichts im Leben niemandem schadet, ist kaum zu bestreiten. Nur sind die Opfer dieser Kasteiung nicht nur die Asketen selbst, sondern stets auch die laotischen Wasserverkäufer, bolivianischen Hotelbesitzer und indischen Marktfrauen. Bewohnern eines Dritte-Welt-Landes ist es eher schwer zu vermitteln, warum jemand, der in ihren Augen alles besitzt, ausgerechnet dann um jeden Cent feilschen muss, wenn er ihr Land besucht. Sie erkennen sehr wohl, dass die weißen Kopfhörer, die da aus dem stinkenden, zerrissenen T-Shirt des «farang» baumeln, zu einem iPod gehören und dass dieses Gerät in etwa den Gegenwert ihres eigenen Monatseinkommens gekostet hat. Deshalb setzen sie auf Backpacker nur so lange, bis die ersten Rollkofferträger in ihrem Ort aufgetaucht sind. Sobald naivere, konsumfreudigere Touristen den Ort besuchen, mehren sich vor den Hotels die Schilder, auf denen «No Backpackers» steht.
Sam hat den Preisschock des gestrigen Tages noch nicht ganz verdaut, aber immerhin spricht er wieder. Wir gehen auf einen kleinen einheimischen Markt. Sam meint, es gäbe hier das billigste Essen. Er dringt schnellen Schrittes bis zur Mitte des kleinen Marktes vor, vorbei an fliegenbesetzten Schweinehälften, matschigen Mangos und lärmenden Laoten. Das Licht ist schummrig, die Luft riecht nach fauligen Essensresten. Von überall her lärmt es, und Sam schwillt der Kamm. Barfuß tritt er in eine Pfütze, in der Innereien herumschwimmen. Schließlich gelangt er zu einem steinernen Etwas, aus dem Wasser fließt.
Sam füllt seine Plastikflasche damit und trinkt sie voller Genugtuung zur Hälfte aus. «Die verarschen uns doch nach Strich und Faden hier! Schau dir das Wasser an – das ist verdammt gutes Wasser! Verdammt gut, und es kostet nichts. Aber uns verkaufen sie das teure!»
Irgendwie hat Sams Ausruf etwas Autosuggestives, und wenn ich mich nicht täusche, ist das Wasser ein bisschen gelb.
«Mann, das trinken diese Laoten selbst. Die trinken das jeden Tag, das kann nicht schlecht sein!» Dann geht er zurück zu dem grinsenden Laoten mit den wenigen Zähnen. «For free!», schreit er ihn an und deutet mit dem Zeigefinger auf die Plastikflasche mit der leicht trüben Flüssigkeit in seiner Hand.
Zwei Stunden später fleht mich Sam an, ihm eine Imodium-Tablette zu verkaufen.
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Der Feind mit dem Koffer
Ort: Phnom Penh, Kambodscha
«Der Rucksack, der sagt auch so viel aus: ‹Hier, der möchte die Welt kennenlernen und nette Menschen treffen. Und so was.› Das hat kein Samsonite-Koffer, der sagt gar nichts, der sagt nur: ‹Fass mich nicht an, ich bin gesichert.›»
Backpacker namens Alex [21]
Die Sonne ist schon zur Hälfte im Boeung-Kak-See versunken. Schlingpflanzenfelder treiben auf dem Wasser. Mal bläst sie der Wind auf die eine Seite des Sees, mal auf die andere. Sam stopft ein Reisgericht in sich hinein und spült die Bissen zwischendurch mit einer Flasche Angkor Beer herunter. Seine Dreadlocks hängen ihm immer wieder ins Essen. Sam sieht immer ein bisschen fertig aus. Er
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