Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
man sich doch verarscht vorkommen. Verarscht vom eigenen Leben!»
Sams Laune steckte mich irgendwann an. Auf Reisen will ich Reisende treffen, aber keine Mallorcatouristen. Die machen die ganze Atmosphäre kaputt. Wir verließen Angkor und Siem Reap deswegen auch schon nach zwei Tagen.
«Too many tourists», sagte Sam mit seinem harten israelischen Akzent.
Wir sind jetzt beide seit vier Tagen hier am Boeung-Kak-See. Jeden Abend liegen wir in der Hängematte, trinken Bier und schauen aufs Wasser hinaus. Früher oder später fängt Sam dann an zu erzählen, wie er barfuß mit dem Sadhu durch den Himalaja gelaufen ist. Der Sadhu, sagt er, habe doppelt so lange Dreads wie er gehabt und außer einem Lendenschurz nichts getragen. Er habe ihm spezielle Atemtechniken beigebracht, mit denen die Sadhus selbst die frostigen Temperaturen im Himalaja ganz gut überstehen könnten. Irgendwann aber habe ihn der Sadhu zu einem befreundeten Schneider gebracht, wo Sam, der die Atemtechnik nicht ganz beherrschte, eine Ziegenfelljacke für 100 Dollar gekauft habe. Anschließend habe er seine Schuhe in eine Schlucht geworfen und geschworen, bis zum Ende seiner Reise nie wieder welche zu tragen. Die Ziegenfelljacke hat Sam noch immer, aber dafür ist es jetzt viel zu heiß.
Unser Guesthouse trägt den Namen Cloud No. Nine. Es soll das älteste Hostel der Stadt sein. Die Herberge ist aus Holzplanken und Sperrholzplatten zusammengezimmert. Sie ragt vom Ufer weit auf den Boeung Kak hinaus. Auf dem See, der mitten in Phnom Penh liegt, treiben außer den Schlingpflanzen noch sehr viele Plastiktüten und alte Benzinkanister. Die Zimmerwände im Cloud No. Nine sind sehr dünn. Man hört eigentlich jedes Wort aus dem Nebenzimmer. Gestern Nacht fragte eine kambodschanische Semiprostituierte, wo ihr Freund, ein Engländer, den ganzen Tag gewesen sei.
Er sagte: «Ich war auf der Shooting Range.»
Die Shooting Range ist ein Überbleibsel aus dem Bürgerkrieg, der fast 20 Jahre lang im Land wütete. Dort kann man gegen ein paar Dollar mit verschiedenen Waffen auf belebte und nichtbelebte Objekte schießen. Die Preise richten sich nach der Größe der Waffe und der Größe des Tieres. Mit einer Panzerfaust auf eine Kuh zu schießen, soll 60 Dollar kosten.
«Oh», antwortete das Mädchen. «Hast du mit einer Panzerfaust auf eine Kuh geschossen?»
«Nein, ich hatte nicht mehr viel Geld. Ich konnte mir nur ein Huhn leisten.»
Man hört auch alle Klogeräusche. Eine Kanalisation gibt es nicht. Alles geht direkt in den See. Das Guesthouse Cloud No. Nine ist ein kleines bisschen berühmt. Ich weiß nicht, wofür. Aber im Gegensatz zu anderen Hostels kommen tagsüber Leute, einfach nur, um hier auf der Terrasse herumzuhängen. Wahrscheinlich liegt es daran, dass Cloud No. Nine im Lonely Planet vermerkt ist und die Nachbarhostels nicht.
Jedenfalls sind sogar Urlauber mit Rollkoffern darunter. Irgendwo müssen sie von dem Hotel gehört haben. Vielleicht hat man ihnen gesagt, der Blick auf den See sei besonders schön, was nicht stimmt – der Ausblick ist nicht schlecht, aber auch nicht umwerfend. Vielleicht kommen sie, um sich verrückte Backpacker anzuschauen, oder sie kommen wegen der Prostituierten. Im Cloud No. Nine hängen nämlich auch Nutten herum. Auch das ist ungewöhnlich, denn in fast allen Ländern sind Backpacker und Prostituierte strikt voneinander getrennt. Backpacker wollen mit Touristen nichts zu tun haben, und Sextouristen hassen sie geradezu. Hier aber trudeln nachmittags ganze Gruppen von Mädchen ein, sitzen auf der Couch, rauchen Zigaretten und trinken Wodka mit thailändischem Red Bull.
Es gibt sehr viele Prostituierte in Phnom Penh, muss man wissen. Prostitution ist wirklich ein großes Problem in der Stadt. Gestern fuhren Sam und ich mit einem Motorrad durch die Stadt. Wir sahen ganze Viertel voller Baracken mit geschminkten Mädchen. Vielleicht kommen die Prostituierten wegen der Touristen ins Hostel oder die Touristen wegen der Nutten. Das ist ein Henne-Ei-Problem. Auf jeden Fall sind beide Gruppen hier vorhanden, direkt neben uns.
Der Typ in dem Poloshirt fragt jetzt: «How long are you travelling for?»
Sam schweigt. Der Typ im Poloshirt sagt, er sei für drei Wochen unterwegs, zwei davon in Thailand und eine in Kambodscha.
Sam hustet nun, als hätte er sich an seinem Reisgericht verschluckt. Er nimmt einen Schluck Bier, rülpst laut und isst weiter.
Trotz der gutgemeinten Versuche des Typs in Poloshirt kommt die
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