Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
ist sehr dünn, weil das Einzige, was er täglich zu sich nimmt, ein Reisgericht ist. Er behauptet, etwas anderes schmecke ihm entweder nicht oder verursache Durchfall. Tatsächlich aber will Sam wie immer vor allem Geld sparen, denn gebratener Reis gehört zu den billigsten Gerichten in den Hostels. Dazu trinkt er Abend für Abend einige Flaschen Angkor-Bier.
Ein Typ mit hellblauem Poloshirt und kurzer Chinohose lässt sich zu unseren Füßen nieder und streckt seine Beine ins Wasser. Neben ihm steht ein silberner Samsonite-Koffer. Seine Klamotten sind auffallend sauber und sehen gebügelt aus. Er ist etwa 20 Jahre alt und hat weder eine Glatze noch Dreadlocks, sondern einen richtigen Haarschnitt. Würde man seinen Samsonite-Koffer öffnen, so kämen wahrscheinlich sorgsam zusammengelegte, gestärkte Ralph-Lauren-Hemden, saubere Unterhosen und ein Kulturbeutel aus Leder zum Vorschein. Er zündet sich eine Zigarette an, raucht, bis die Zigarette halb heruntergebrannt ist, und schaut auf Sams schwarze Riesenfüße. Mit der anderen Hand umklammert er die ganze Zeit den Griff seines Samsonite-Koffers. Ich möchte ihm schon sagen: «Mach dich locker, entspann dich, hier klaut keiner was.» Aber das stimmt ja gar nicht, denn gestern haben zwei kambodschanische Halbstarke mit Moped einem Italiener die Kamera gemopst. Der Typ mit dem Haarschnitt und dem Polohemd dreht sich zu uns um. Er zögert einen Moment und stellt dann die Frage, die stets das Tor zu einer Konversation öffnet.
Der Typ in dem Poloshirt fragt mit einer hohen Fistelstimme: «Where are you guys from?»
Sam schweigt. Der einzige vernehmbare Laut von seiner Seite ist ein Zwitter aus Grunzen und Schmatzen – weit entfernt von einem Wort. Ich tue so, als hätte ich die Frage nicht gehört.
Ich bin jetzt seit drei Wochen mit Sam unterwegs. Nachdem er seine Magen-Darm-Infektion in Vang Vieng auskuriert hatte, fuhren wir zurück nach Bangkok und von dort aus nach Siem Reap. Diese Stadt liegt in unmittelbarer Nähe der Tempelanlagen von Angkor Wat. Jeder, der nach Kambodscha fährt, schaut sich die Tempel von Angkor an. Manche kommen überhaupt nur deshalb ins Land. Gemessen an der Bedeutung, die die dorthin führende Landstraße hat, ist sie in einem miserablen Zustand. Sam und ich verbrachten zehn Stunden auf der Ladefläche eines japanischen Pick-ups, zusammen mit fünf Schweden und gefühlten 25 Kambodschanern. Nach besagten zehn Stunden hatten wir eine Panne und wurden nach drei Stunden Warten von einem Lkw abgeholt. Wir waren beide sehr schlecht gelaunt nach dieser Fahrt, aber so etwas schweißt zusammen.
Sam ist übrigens eigentlich die meiste Zeit schlecht gelaunt. Er war zuvor drei Monate in Nepal, wo er einen Sadhu kennenlernte, mit dem er sechs Wochen barfuß durch den Himalaja marschiert ist. «Musste mal runterkommen von meinem Militärdienst in der Westbank», sagt Sam. Um sich wieder aufzuwärmen, verbrachte er die letzten zwei Monate auf einer thailändischen Insel. Manchmal behauptet Sam, den Namen der Insel vergessen zu haben, manchmal sagt er, der Ort sei geheim, er könne niemandem verraten, wie die Insel heiße, sonst kämen lauter Idioten. Sam hält viele Leute für Idioten. Er hat die israelische Armee vor sieben Monaten verlassen. Seine Landsleute kann er nicht leiden. «They want only party, these dumb idiots.» Sam sagt, zwischen Israelis, die die ganze Zeit nur Saufen und Sex im Kopf hätten, und Touristen sei kein großer Unterschied. Die Israelis würden nur besser aussehen.
Angkor Wat hat Sam nicht gefallen. Es lag nicht an den Tempeln, sondern daran, dass das ganze Gelände voller Touristen war. Einmal standen wir um vier Uhr morgens auf, weil Sam sagte, das sei die einzige Chance, die Tempelanlage mal ohne amerikanische Schlapphutrentner zu fotografieren. Aber gerade die stehen auch früh auf, und so kippte um Punkt sieben der erste Touristenbus seine kontaminierte Ladung aus: ältere Menschen mit Polohemden, Sonnenhüten und Trekkingsandalen. Menschengruppen mit vollen Geldbeuteln und gebügelter Kleidung. Menschen mit Führern.
Sam meinte, er könne die alten Khmer-Tempel beim besten Willen nicht genießen, solange diese Tourihorden in der Nähe seien. «Da komme ich mir verarscht vor. Ich habe mit einem Sadhu gelebt – und jetzt das! Wenn man mal mit einem Sadhu gelebt hat und dann diese Leute hier sieht» – Sam zeigte auf einen älteren Herrn mit sehr knapper kurzer Hose, Polohemd und weißen Socken –, «dann muss
Weitere Kostenlose Bücher