Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
more!»
Namenloser Backpacker [19]
Sams Buchhaltung ist schwer durcheinandergeraten, die letzten fünf Posten fehlen. Es ist seine eigene Schuld, er hat vergessen, sie zu notieren. Hinzu kommt die Verwirrung über eine Währung, von der man nach Sams Meinung am besten fünf Nullen streichen sollte, und das Wechselkursdings: Der Kip hat etwas mit dem Baht zu tun, der Baht ist wohl an den Dollar gekoppelt, und was das Ganze in Euro heißt, kann man nur erahnen. Den Anzeigen der laotischen Banken traut er nicht, denn die, sagt er, zocken ohnehin jeden ab. «Die Laoten tun so, als seien sie rückständige, naive Bewohner eines Berglands, aber ich sag dir was: Die Laoten sind die gerissensten aller Asiaten!»
Gut möglich, dass Sam sein Tagesbudget schon überschritten hat. Sein ganzer Frust entlädt sich nun auf den kleinen laotischen Wasserverkäufer, dem nur noch drei Schneidezähne geblieben sind, durch die er verwegen grinst.
«No, no, no! Yesterday I paid for water only 2,000 kip! Not 4,000 like here.»
Der Laote sagt nichts und grinst nur, wie Südostasiaten immer grinsen, wenn ihnen etwas peinlich und unangenehm ist; sie denken, sie könnten die Situation weglächeln.
Die Sonne brennt mit 35 Grad, was zu einem weiteren Schweißausbruch unter Samuels Achseln führt. Für einen Moment macht er Anstalten, das T-Shirt, das er nun schon seit zwei Wochen nicht mehr gewaschen hat, auszuziehen, scheint sich aber dann doch dagegen zu entscheiden. So wedelt er nur einmal kurz Luft unter den Stoff.
40000 Kip wollte die Frau für die Wäsche: 4,30 Euro haben Samuels Berechnungen ergeben.
«Over there», lenkt der Laote ein, «water no cold. Here very ice! 3,500 kip.»
«Bullshit», ruft Sam, «das ist doch Bullshit! Verdammter Bullshit! Der verarscht uns doch nach Strich und Faden!» Er dreht sich um und geht. Dann macht er einen Fehler …
Sam und ich haben uns an der Grenzstation zwischen Thailand und Laos kennengelernt. Er trug keine Schuhe. Er hat aufgehört, Schuhe zu tragen, nachdem er in Nepal mit einem Sadhu barfuß durch den Himalaja gewandert ist. «Seitdem habe ich eine Hornhaut an den Füßen, so dick wie eine Flipflop-Sohle», sagt er. Tatsächlich sehen Sams Füße aus wie die eines Hobbits: schwarz, behaart und dick.
Ein Visum für Laos bekommt man auf der Khaosan in Bangkok, so wie es eigentlich alles auf der Khaosan zu erstehen gibt, was man in Südostasien so braucht oder eben auch nicht braucht: Beerlao-T-Shirts, gefälschte Presseausweise, falsche Dreadlocks und Sitzkissen. Man kann die Zugfahrt von Bangkok zur Grenze gleich mitkaufen. Überall in den Hotels und zwischen den Restaurants finden sich kleine Reisebüros, die sich auf Backpacker spezialisiert haben. Man kann das Visum für Laos aber auch direkt an der Grenze kaufen. Man muss dann zwar versuchen, mit Grenzbeamten zu sprechen, die ihre Zigarette zu Ende rauchen, bevor sie sich auch nur irgendeine Frage anhören, spart sich aber zehn Dollar. Sam hat sich nur fünf Dollar gespart, weil er nämlich nicht wusste, dass der Bahnhof von der Grenze ein paar Kilometer entfernt ist und man noch eine Fahrradrikscha nehmen muss.
Auf jeden Fall fragte er mich, nachdem wir die Grenze passiert hatten, ob wir uns ein Hotelzimmer teilen könnten. Es war eigentlich das Erste, was er überhaupt mir gegenüber äußerte. Ich sagte ja, was ein Fehler war, denn nach einem Ja wieder aus so einer Nummer herauszukommen, finde ich persönlich sehr schwierig. Ein Fehler war es deshalb, weil Sam sehr hohe Ansprüche an ein Hotelzimmer stellt:
Es muss billig sein.
«Billig» bedeutet immer unter fünf Euro.
Letzteres gilt nur in Ländern, in denen es nicht auch Hotelzimmer für ein oder zwei Euro pro Nacht gibt.
Das erste Hotelzimmer, das wir fanden, kostete 40000 Kip – pro Person also fünf Dollar oder eben zehn für uns beide zusammen. Trotz der rosa Bettwäsche war es für ein Hotelzimmer in einer südostasiatischen Großstadt nicht schlecht: Es hatte ein Bad und einen kleinen Balkon. Der Besitzer, ein junger Laote mit sehr gutem Englisch, ließ sich partout nicht auf Sams Vorschlag ein, das Zimmer insgesamt für fünf Dollar zu vermieten, anstatt von jedem von uns fünf zu verlangen.
«Ist ein Riesenarschloch, der Typ», sagte Sam. «Er weiß genau, dass das maßlos überteuert ist, und ich weiß es auch. Gehen wir!»
Wir stapften schwer beladen und schwitzend durch die staubige Stadt. Ein Tuktuk oder ein Taxi zu nehmen kam für Sam
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