Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
hinten türmen sie sich mannshoch auf, nur um sich kurz darauf mit Gebrüll zu brechen. Ein Strand, wie er besser, schöner, unbefleckter nicht einmal auf einer Postkarte aus den achtziger Jahren hätte sein können.
«Das ist der Strand, der Strand», sagt Patrick wieder.
Er wollte unbedingt hierher. Seitdem ich ihn vor ein paar Tagen in einem Chicken-Bus in Nicaragua kennengelernt habe, hat er von nichts anderem geredet, als diesen Strand zu finden. Er ist besessen. Er ist durch ganz Mittelamerika gereist, hat Reiseführer gewälzt und Buschtrommeln abgehört. Er hat Hostel-Besitzer gefragt und Surfer genervt, die sich mit Stränden oft am besten auskennen, bis er schließlich einen Namen hatte. Patrick will den perfekten Strand finden. Er hat gesagt: «Meine ganze Reise ist nur die Hälfte wert, wenn ich nicht den Strand finde!»
Was diesen Strand zu dem Strand macht? Nichts. Oder fast nichts. Da sind nur drei windschiefe Hütten, in einer davon werden wir übernachten. Ein zahnloser Latino steht mit einer Zigarette im Mundwinkel vor einer Fritteuse. Im Fett schwimmen Kochbananen. Er grinst, ein Stück Asche fällt in die Fritteuse.
«¿Quieres platano?», quäkt er. Es klingt, als wollte er uns seine 13-jährige Tochter verkaufen.
«Ist schön hier», sage ich, «aber bisschen wenig los.»
«Wenn du Party machen willst, flieg halt nach Ibiza.»
«Ich mein ja nur … Es ist niemand hier außer uns und dem Latino da.»
Abgesehen von den Hütten, der Fritteuse und einem Köter, der in sicherer Entfernung um die Fritteuse herumschleicht, ist nichts zu sehen. Keine Bar, kein Hotel, kein Supermarkt, vor allem: keine Menschen. Hinter uns liegt nur eine breite Straße, auf der uns ein Lkw hergebracht hat. Zuvor sind wir mit dem Bus von San José in eine Kleinstadt gefahren, deren Name ich vergessen habe. Dort beschwatzten wir eine Stunde lang costa-ricanische Bauern, uns zu dem geheimen Ort zu bringen. Die meisten sahen uns an, als hätten wir gefragt, ob wir ihr Bananenfeld besichtigen könnten. Niemand verstand, was zum Teufel diese zwei Gestalten mit den dreckigen T-Shirts, den Sonnenbrillen, den viel zu großen Rucksäcken und dem Billabong-Cap dort wollten. Schließlich konnten wir einen Lastwagenfahrer überreden, uns in seinem Führerhaus mitzunehmen. Der Fahrer sprach kaum. Von der Decke baumelten mehrere Marienbilder, darunter lag ein Pornoheft. Wortlos ließ er uns aussteigen, als Patrick ekstatisch «Stop, señor, stop, está aquí! Stop, stop, stop!» schrie. Er zuckte mit den Schultern und ließ sich von uns ein wenig Geld geben, um dann weiterzufahren.
Etwa alle zehn Minuten kommt ein Auto vorbei. Hinter der Straße erstreckt sich ein bewaldeter Hügel. Auf dem Hügel ist nichts außer eben Wald.
«Mann, wir haben gerade den Strand gefunden! Danach suchen alle Traveller in ganz Mittelamerika, ach was, auf der ganzen Welt!», sagt Patrick.
Er hat recht. Alle suchen immer den einen Strand.
In The Beach bekommt Leonardo DiCaprio eine Schatzkarte von einem Junkie-Schotten, auf der der heilige Strand eingezeichnet ist. Nach diversen Strapazen und einer nicht so angenehmen Begegnung mit thailändischen Drogenguerilleros erreicht er ihn schließlich. Eine exklusive Backpackergemeinde hat sich dort eingenistet. Das einzige verbindende Element, das die Gruppe zusammenhält, ist die kollektive Meinung, am besten Strand der Welt zu leben. Noch heute läuft The Beach in den Läden an der Khaosan. Den Film neben einem schwitzenden, betrunkenen Iren in einem überfüllten Café in völlig überdrehter Lautstärke anzusehen gehört zu den Initiationsriten jeder Backpackerreise.
Der Strand ist der Sehnsuchtsort fast aller Bewohner der nördlichen Hemisphäre, die sich von den Anforderungen der Post-Industriegesellschaft gebeutelt wähnen. Am Strand, glauben wir, wird das Leben mit einem Schlag gut. Jeder Urlaub muss in die Berge, besser aber an den Strand führen. Ohne die Dreierkombi Sonne, Sand, Meer scheint es überhaupt keinen Sinn zu machen, die Heimat zu verlassen. Der Strand steht für Faulenzen, Abhängen, Abschalten, Alles-gut-sein-Lassen, Dichtmachen, Nichtstun, Runterkommen, Zusichkommen und Den-ganzen-Tag-fast-nackt-Rumlaufen. Am Strand trifft man die Hängengebliebenen mit salzverkrusteter und sonnenverbrannter Haut, die ihre kalte Heimat das letzte Mal vor fünf Jahren gesehen haben und die in einer Stadt wahrscheinlich innerhalb kurzer Zeit verkümmern würden, weil sie nicht mehr an Lärm und
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