Banana Pancake Trail: Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt (German Edition)
weshalb neben ihm in der Hängematte Jurek und ich liegen. Er hat gesagt: «Wir sind doch Sklaven dieses Buches! Euch beide habe ich nur getroffen, weil wir mit demselben Buch reisen! Und die da dort drüben!» – er deutet auf eine Gruppe Spanier mit Dreadlocks, die gerade dabei sind, das grobe mexikanische Marihuana zu zerkleinern – «die sind auch nur da, weil sie im Lonely Planet gelesen haben, dass Zipolite ein einsamer Strand ist!»
Jurek und ich nehmen es Alan nicht übel, er hat das nicht als Beleidigung gemeint.
Ein Strandköter jagt jetzt bellend einer im Wind flatternden Seite hinterher. Alan ist mittlerweile zu einem kleinen, wütenden Punkt am Ende des Strandes geschrumpft.
Jurek und ich haben uns gerade noch ein Bier bestellt, wortlos glotzen wir auf die gewaltigen Wellen, in denen angeblich mindestens einmal im Monat ein besoffener Backpacker ertrinkt, der die Unterströmung unterschätzt – sagt zumindest der Österreicher. Es ist etwa eine Stunde vor Sonnenuntergang, als Alan zurückkommt. Sein nackter Oberkörper glänzt vor Schweiß, seine Zunge hängt wie bei einem Hund ein Stück weit aus seinem Mund heraus, doch ansonsten strahlt Alan.
«Die letzten neun Monate waren Mist», sagt er. «Es war nicht meine Reise, es war die Reise dieses vermaledeiten Buches: Ich habe gesehen, was andere gesehen haben, und habe dort übernachtet, wo andere geschlafen haben, ich habe erlebt, was andere erlebt haben, Menschen getroffen, die andere getroffen haben. Ich bin auf den Pfaden anderer gereist. Es war alles austauschbar. Ab heute wird das anders!»
Alan verkündet uns, dass er Zipolite morgen verlassen wird. Er will Richtung Chiapas und dann Guatemala oder Belize, ach, eigentlich ist es ihm egal, wohin, sagt er. Hauptsache weg und ohne dieses elende Buch unterwegs sein. «Ich werde mich endlich treiben lassen. Ich werde in eine fremde Stadt kommen. Ich werde keine Ahnung haben, wo ich schlafe, wo ich esse und was es zu sehen gibt. Ich werde endlich richtig frei sein. Ich werde echte Abenteuer erleben wie all die Reisenden vor mir, als es noch keinen Lonely Planet gab. Gleich morgen nehme ich den ersten Bus!»
Die Sonne nähert sich jetzt langsam dem Horizont. Sie wird rot und allmählich lila. In Zipolite beklatschen die Backpacker den Sonnenuntergang, weil er ein Schauspiel ist und weil sonst nicht so viel passiert. Etwa eine halbe Stunde dauert das Spektakel und auch, wenn man den ganzen Tag nichts anderes getan hat, als in einer Hängematte zu liegen, hat man wegen dieses Sonnenuntergangs am Ende des Tages das Gefühl, etwas Großartiges erlebt zu haben.
Ist die Sonne weg, springen nach und nach die Generatoren der Strandbars an. Die Gäste verlassen ihre Hängematten, sprühen sich mit Autan ein und setzen sich auf die halb im Sand versunkenen Holzbänke und Plastikstühle. Sie trinken Bier und fragen sich gegenseitig, aus welchen Ländern sie kommen, wo sie schon waren und wo sie als Nächstes hinfahren. Sie versichern sich gegenseitig, wie großartig dieser Ort ist und dass sie schon viel länger hier sind, als sie eigentlich vorhatten. Der Österreicher sagt dann immer, dass er schon seit sechs Wochen hier ist und ihn eigentlich gar nichts anderes in Mexiko interessiert als dieser Strand. Es ist jeden Abend dasselbe.
Alan sieht sehr entschlossen aus. Seine wilden roten Haare liegen jetzt windschnittig.
«Wisst ihr, um wie viel Uhr der erste Bus Zipolite verlässt?», fragt er.
«Moment», sagt Jurek. Er greift unter seine Hängematte, blättert in seinem blauen Buch und sagt dann: «Hier steht um 6.30 Uhr.»
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Auf der Suche nach dem perfekten Strand
Ort: geheim, irgendwo in Costa Rica
«The next morning, the ‹perfect beach› so many have searched for is littered with human bodies, and being used as a toilet by some of the male backpackers.»
Regina Scheyvens [6]
«Das ist er», flüstert Patrick und nimmt sein Billabong-Cap vom Kopf. Es ist das erste Mal, dass er das tut. Ich kenne Patrick nur mit Billabong-Cap. Dass er es nun abnimmt, ist eine Geste der Ehrfurcht. Vor uns erstreckt sich eine Sandautobahn von drei Kilometern Länge. An beiden Enden erheben sich Klippen, die den Strand begrenzen und abschirmen. Der Sand ist weiß wie Salz. Er glänzt in der Sonne, so sehr, dass die Augen schmerzen. Palmen verneigen sich elegant darüber. Das Wasser ist klar und türkisfarben. Dort, wo das Land beginnt, plätschern die Wellen sanft auf den Sand. Weiter
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