Banatsko (German Edition)
Fahrerkabine stand ein Zielort angeschrieben, der in einer gänzlich fremden Gegend lag, ja sogar in einem fremden Land, weit von Arad, von diesem Platz, von allen diesen Straßen und Haltestellen.
Diese Straßenbahn war ein Geschenk der Gemeinde Soundso. Ibi schob diesen Satz über ihre Unterlippe in den Raum. Jeder spann nun seine Worte über Geschenke und Straßenbahnen in eine andere Richtung und ließ sie dann fallen, sie versickerten langsam in den Ritzen zwischen den kleinen quadratischen Bodenfliesen, und draußen war es Nacht. Ibi erhob sich schwer aus ihrem Halbsitz und schwankte ein wenig an ihrem Stock.
Komm, sagte Eva, wir bringen Ibi nach Hause, die Straßen sind voller Löcher.
Wir begleiteten Ibi und setzten wie sie langsam einen Schritt vor den anderen. Ibi tastete mit ihrem Stock den Gehsteig nach Löchern ab. So wankten wir den Platz entlang und tauchten in die dunkle Gasse, aus der die Straßenbahn gekommen war. Ibi wohnte in einem großen alten Eckhaus mit vielen Fenstern. Wenige waren erleuchtet. Durch eine kleine dunkle Tür trat man in den engen dreieckigen Innenhof. In einer Hütte lag ein Hund, er knurrte beim Geräusch der Tür und schleifte seine Kette heraus. Er bellte, bis eine junge Frau den Kopf aus der Tür neben dem Hundezwinger steckte. Hinter ihr lief ein Fernseher, ein Kind schrie, es roch nach saurer Suppe.
Ach, die Ibi, sagte die junge Frau, und der Hund schwieg.
Wir stiegen mit Ibi die Treppe hinauf zu ihrem Geschoss. Ibi und Eva murmelten miteinander, während sie die Treppe hinaufstiegen. Beide waren bald außer Atem. Ibis Wohnung lag auf dem zweiten Stock. Auf jedem Stockwerk lief ein Korridor außen an der Hofwand entlang, von dem die Wohnungstüren abgingen. Hier und da hing steifgefrorene Wäsche an der Leine. Ein Kinderkleidchen ächzte, als ich daran stieß. Vom Außenkorridor blickte man auf die riesige schwarze Tür der Synagoge, die in diesem Hof verborgen war. Über der Synagogentür stand dunkel zerklüftet das zerbrochene Glas eines Fensters. Ich stellte mir vor, wie der Schnee zwischen den Zacken in die Synagoge gefallen sein musste.
Über dem Hof hing der Winterhimmel. Er war dunkelblau und trug ein paar Sterne. Eine späte Straßenbahn knirschte draußen über die Straße.
STADT
Die Nächte füllten sich mit dem rasenden Gebell angeketteter Hofhunde, denen der Winter die Wut gewetzt hatte. Rastlosigkeit machte sich breit. Ich fuhr in die Stadt, durch das wassergraue Ödland, in dem vereinzelte Vögel stakten, und über die flutende Tisza, die bis an den Rand der Deichkronen schwappte. Auf den Deichen saßen Menschen und zeigten einander das düstere Wasser, das ihre im Schatten des Deiches gelegenen Garagenreiche bedrohte. In Budapest studierte ich die Fahrpläne nach Westen. Ich betrachtete die Tafel am großen Bahnhof der Stadt. Klackend schoben sich die Namen und Abfahrts- und Ankunftszeiten weiter nach oben, weiß auf schwarz, Zielorte, Durchfahrtsorte, Verspätungen, ein Zug nach dem anderen fuhr ab und ich stieg nicht ein. Ich trieb mich in den grauen Straßen herum, roch den feuchten Staub der Mauern, hörte die Flüche der Betrunkenen, nachts das Klappern der Mülltonnen, die flüchtenden Schritte, die mageren läufigen Katzen im schütteren Mondlicht. In den Autobussen stritten sich Paare, andere versöhnten sich, Obdachlose mit großen karierten Taschen aus Plastikgewebe nahmen mit Vorliebe neben mir Platz, immer fuhren sie bis zur Endhaltestelle am Bahnhof. Ich erinnerte mich an die Strecken, die ich früher gefahren war, im anderen Land, an die beschlagenen Scheiben der doppelstöckigen Busse im Regen, an den Dunst nasser Mäntel und Haare voller Stadtgeruch, an das verstohlene Betteln heimatloser Männer, die kaum die Sprache des Landes sprachen und sich im Fluchthaften ihres Lebens eingenistet hatten. Sie reisten auf dem Obergeschoss der Autobusse von Station zu Station und ohne Gepäck, die Habelosigkeit war ihr Vorsprung vor anderen, sie nahmen Unterschlüpfe als Unterkunft hin. Was den hiesigen Obdachlosen und den dortigen Heimatlosen gemein war, war die Hingabe an nichts als die Gegenwart, ihre stete Jetztbereitschaft, um zu überleben. Ihre Zukunft und ihre Vergangenheit lagen immer im Schatten des Augenblicks, erglänzten allenfalls im Schlaf, lagen dann in einem Licht, wie es nur Träumen eigen ist.
In der Unzugehörigkeit verwahrloste manches in mir. Ich ertappte mich dabei, dass ich die wenigen Dinge, die ich brauchte oder
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