Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
Vom Netzwerk:
Verbindungsleitungen, die Kessel und Behälter und Rohre, die Tore und Aufgänge, Fenster und Luken verharrten untätig, jedem Nutzen enthoben.
    Hinter der Fabrik bog die Straßenbahn ab in einen Weg voller Unebenheiten. Rechts und links lag nun eine Wildnis, die mit einer Straßenbahn wenig zu schaffen hatte. Wären nicht die Gleise gewesen, die vor und hinter der Straßenbahn verliefen, hätte man meinen können, die Waggons wären eigenmächtig und blindlings in fremdes Gelände gedrungen.
    Im Osten lagen die Hügel, dahinter der helle Morgenhimmel. ›Ghioroc‹ stand auf einem Schild, Ende der Strecke. Die Gleise umkreisten ein kleines Depot. Über der Gleisschleife hing ein Gewirr von Drähten und Leitungen zwischen schiefen Masten. Frauen mit Körben voll schrumpligem Wintergemüse drückten sich in die Nischen des Depots. Das Gemüse hatte die Farbe der Erde, und die Frauen starrten ungerührt auf ihre vermummten, um die Korbhenkel geschlossenen Hände, als warteten sie auf ein Zeichen, aufstehen und mit den unangetasteten Waren fortgehen zu können, fort aus dem Blick auf den sich vor ihnen ausbreitenden zwielichtigen Märzmorgen und durch die Gassen hinter dem Depot in die Hügel.
    Abseits der Straßenbahnschleife hatten sich Männer versammelt. Sie standen wartend vor einem grünen Haus, sie mochten auf Arbeit warten, auf Geld, eine Anweisung. Ein paar junge Männer traten aus einer Tür, mehrere Treppenstufen über der Straße, winkten lachend, Bewegung kam in die Gruppe, ganz kurz sahen die Winkenden aus wie Sieger.
    Ein schlammbespritzter Bus hielt, ›Siria‹ stand auf einem Schild im Busfenster. Wo ist Siria? fragte ich eine Frau in einem dicken schwarzen Mantel.
    In Siria gibt es eine Burg auf einem hohen Berg, sagte die Frau, als habe sie diese Worte zufällig griffbereit. Im Frühling und im Sommer wimmelt es auf dem Pfad zur Burg von Vipern. Knäuelweise liegen sie ineinander verschlungen in den heißen Mulden der Hänge. Sie stoßen über den Pfad, erdfarben und mattschimmernd, schnurgrade. So leben sie, allein vorwärtsstoßend und sich dann wieder ineinander verschlingend.
    Die Frau lachte, vielleicht hatte sie gescherzt. Sie stieg ein, ich folgte ihr. Der Bus fuhr über eine holprige Straße zwischen der Ebene und den Hügeln, die unter einer Decke aus magerem Gebüsch und verwachsenen Obstbäumen anstiegen. Längs der Straße weideten Schafherden. Die Umhänge der Hirten waren schmutzigbraun wie das Fell der Schafe. Die Hütehunde bellten den Bus an.
    In einem Ort namens Covasint hielt der Bus vor einem Geschäft mit der Aufschrift ›Magazin Mixt‹. Auf dem kleinen Vorplatz tranken zwei Männer Bier aus Dosen, sie legten den Kopf in den Nacken und saugten letzte Tropfen heraus.
    Ich stieg aus und folgte dem Weg in die Hügel. Hunde bellten, eine Frau mit einer blauen Kanne in der Hand trat aus einem Haus, am Wegrand lungerte ein alter Mann mit einer Baskenkappe, hielt Ausschau ins Leere. Hinter ihm ragten Zweige auf, darunter am Stamm das verwaschene Weiß der Kalkfarbe vom vergangenen Frühjahr.
    Die Weinhänge lagen kahl und dunkel. Im Hintergrund wurden die Hügel zu Bergen mit den Schattierungen von Wäldern, Klüften, Senken und Tälern. Der Anblick von Bergen war mir so fremd geworden, dass mir dieses kleine plötzliche Gebirge wie die Kulisse für ein Theaterstück vorkam. Am Fuß der Weinhänge lag die Ebene. Die dunkle, in Vierecke zerteilte Spätwintererde wurde zum Horizont hin immer heller, bis sie sich in Licht und Dunst und Himmel auflöste. Darauf verstreutes Zubehör eines aufgegebenen Spiels. Häuser, Bäume, Fahrzeuge, Schuppen und Ställe, die beweglichen grauen Lachen der Schafherden, schiefgefaulte Maisstrohhaufen, die niemand verfeuert hatte. Nach Süden die stumme Fabrik. Ein weicher violetter Schatten, ein Fabelwesen, die einzige Unterbrechung der zitternden Linie des Horizonts. Ein Meeresboden breitete sich dort aus, der Grund eines leergelaufenen Ozeans, der seine irgendwann aus der nutzbaren Wirklichkeit des festen Bodens gesunkenen Schätze hatte offenlegen müssen und nun auf eine Flut wartete, der er sie wieder anvertrauen konnte.
    Auf dem Rückweg sah ich die Aufschrift ›Brutarie‹ in verblassten Buchstaben auf einer Hauswand tief in einem Garten, neben dem Schriftzug waren dunkle und helle Brote abgebildet. Einen Moment lang erschreckte mich das Wort zu dem Bild, als hätte sich eine Faust oder ein Schlageisen dort ins Brot gedrängt. Die Frau mit der

Weitere Kostenlose Bücher