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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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während Eva ohne Unterbrechung weitersprach und die verschiedenen Modelle für diesen von ihr ersonnenen Tochterrock anführte, ja, ja, solche Röcke habe ich schon dutzendfach angefertigt, das ist für mich eine Kleinigkeit, bringen Sie ruhig Ihren Stoff und legen Sie ihn vertrauensvoll in meine Hände, Ihre Tochter wird einen Rock bekommen, wie er in ihrer großen Stadt sicher nicht seinesgleichen hat, bringen Sie nur den Stoff und haben Sie etwas Geduld.
    Der Schneider bog seinen schlaffen, verschwitzten Oberkörper zurück in die dunkle Stube und schloss das Fenster mitten in Evas Redefluss hinein. Einen Augenblick lang war es still, dann bellten Hunde. Die letzten Einkäufer kamen vom Samstagsmarkt.
    In Arad Nou, jenseits des Hochwassermures blühten schon die Krokusse, unter einem hellen Himmel strudelte das Wasser um Baumstämme und Untiefen, an der leeren Zuckerfabrik vorbei, unter einer hohen Eisenbrücke mit schwankenden Straßenbahnen.
    Arad Nou war die Deutschenstadt im Schatten des Hochwasserdeichs, verwunschene Häuser mit halbrunden Terrassen und flachen breiten Stufen, die in verwunschene Gärten führten, eine Welt aus Bilderbüchern, die weit weg im Land meiner Kindheit schon vergangene Märchen gewesen waren. Winterdürre Glyzinien würgten die Säulen dieser Hübschheit, auch in aller Verlassenheit lagen die Beete noch ordentlich unterteilt. Um die Veranden und bröckelnden Hauseingänge sammelten sich Krokuswolken in gelb, lila, weiß. Hier, weit näher am schwarzen Meer als am deutschen Wald, lag diese löchrige Scheibe abgelebter Niedlichkeit, nun von anderen gehütet und geliebt, weil sie das Herz wärmte, hinter Holunderwucherungen und dem kahlen Gestrüpp des Sommerflieders, zwischen dem strudelnden Muresfluss und der brausenden Ausfallstraße nach Timisoara.
    Hinter der Deichmauer knackten Holzsucher Zweige und äste gestrandeter Baumkronen, stopften Taschen und weiße Plastiksäcke voll, für die kalten Nächte die noch zu erwarten waren. Die Straßenbahnen ächzten über die Eisenbrücke, Hunde schlugen an, wo Häuser bewohnt waren. Ein alter Mann stand vor seinem ordentlichen Schuppen in der Tiefe eines deutschen Gartens, und fügte sich mit Haut und Haar in die welken Vorfrühlings- oder Spätwinterfarben der kleinen Welt, die ihn umgab.
    Mit dem Abenddämmer senkte sich eine scharfe Kühle. Hinter der Zuckerfabrik blieben noch lange helle, grünliche und gelbfarbene Streifen am Horizont hängen, während Arad Nou im großen Mund der Märznacht verschwand.

COVASINŢ
    An einem dunklen Morgen stieg ich in eine geschenkte Arader Straßenbahn. Die Haltestelle hieß Soundso-Kirche, doch befand sich dort nur eine riesige Baustelle, über der eine schimmernde Kuppel hing, der strahlende Himmel für einen Tempel, den es noch zu errichten galt.
    Die Sitze waren abgenutzt, über den schlierigen Fenstern und Türen hingen Schilder und Reklamen aus Deutschland. ›Fahrscheine nur beim Fahrer‹, stand auf einem Schild, obwohl man die Fahrscheine in Arad an einem kleinen Kiosk vor der Fahrt kaufen musste, der Fahrer würde niemandem einen Fahrschein verkaufen, er wollte sicher auch von niemandem um einen Fahrschein gefragt werden, und die Möbel und Autos und Versicherungen, die auf den Reklamen innen und außen an der Straßenbahn angepriesen wurden, würde man in Arad auch vergeblich suchen. Auf einer Reklame legte ein blonde Frau den Finger vor ihren Lächelmund, sie hatte ein Geheimnis, das sie den Leuten in Arad nie preisgeben würde, aber die Arader kümmerte das nicht, weil sie wussten, dass dieses Geheimnis einer Fremde und Vergangenheit angehörte, hinter der sich bereits ein Tor geschlossen hatte, als diese Straßenbahn in jenem Land der Möbel, Autos und Versicherungen aus dem Verkehr gezogen und in Arad, wo ganz andere Autos, Möbel und Versicherungen Geltung hatten, in den Verkehr geschoben wurde.
    Auf dem Weg aus der Stadt hinaus leerte sich die Straßenbahn allmählich. Es wurde heller, der Himmel schimmerte lila, braun und türkis. Neben den Gleisen verlief eine Landstraße, über die schwere Lastwagen fuhren. Hier lagen tote Hunde und Katzen neben und auf der Fahrbahn. Kreuze, mit bunten Plastikblumen umwickelt und besteckt, waren am Straßenrand aufgestellt, wo Menschen zu Tode gekommen waren. In der Mitte der Ebene hinter Arad erhob sich eine gewaltige Fabrik. Sie war groß wie eine kleine Stadt und still wie ein Bild. Nichts war in Bewegung, die Schlote, Treppen,

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