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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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schartig gesummten Zähne, Kommt!, rief er, trinken wir auf den ersten Mai, bevor es zu spät ist!, und dabei spielte er ein Tanzlied, in dem mancher sogar einen vergangenen Schlager erkennen wollte.
    Die buckligen Geschwister hüteten ihr Kartoffelfeld. Sie begutachteten die Furchen und lauerten auf keimende Zeichen. An Markttagen standen sie gemeinsam an ihrem Marktstand, die Schwester, ein braves Mädchen, hielt sich hinter ihm, der sich schützend über seine welke, keimende, weichgeschrumpelte Winterware beugte.
    Manchmal wurde es noch kalt, und die Morgen waren weißlich vom Reif.
    Attila kam und trank einen Kaffee in der Küche, draußen stand noch der Atem in einer kleinen Wolke.
    Mir fehlt immer etwas, sagte er, und ich weiß nicht was.

DAS MEER
    Stand man am Rand der Hügel, zeigte sich die Ebene als aufgelassenes Meer, vom Wasser verlassen, bloßgelegt und unbehütet, ein Staubland, dem Wind verfallen. Dennoch war es noch immer das Wasser, das mit stiller Sprache dieses leere Land beschrieb, die Wasseradern, Bäche, Flüsse, immer leise, heimlich, auch in den Fluten, die versuchten, den Boden wieder in ihren Besitz zu bringen. Die Erde lag dünn über dem Grundwasser, das sich mit Flüssen und Regen verbündete und weite Flächen in kurzlebige glitzernde Scheinmeere verwandeln konnte, aus denen Grasbüschel und Gestrüpp aufstiegen, als seien sie Inseln voller Ungewissheit, die der Reisende ansteuern konnte. Auch war das Angeln eine Beschäftigung, der die Hiesigen mit einer Leidenschaft und Erwartung auf ein in keine Worte zu fassendes Glück nachgingen, wie es Fremde nur an Küstenstreifen suchen würden.
    Flüsse schrieben die Grenzen der Gegend, wiesen Wege, bestimmten den Verlauf von Leben und Geschichten. Zwischen den Flüssen lag das Land wie in einem Traum von seiner Meeresbodenhaftigkeit, mal von Flut, mal von Dürre geschlagen, hielt es sich an die Wolken als einziger Gewissheit, hütete in den Senken und Furchen die Erinnerung an bunte Fische, trug an den Schatten und Rufen der Vogelschwärme unter den Wolken und brachte hier und dort Schlangen hervor.
    Es waren schnellwüchsige Bäume, die sich hier zu schütteren Hainen zusammentaten, faserige Hölzer, wie sie rasch aus dünner Erde und viel Wasser groß werden, Bäume, die im Wind immer rascheln und nicht rauschen, die trockene dünne Stimmen haben. Einige warfen Früchte ab, die niemand wollte, groß, bitter riechend, rund, mit narbiger Haut wie verwachsenes Geschuppe, die am Wegesrand allmählich aus ihrem gelblichen Grün ins Wegesgrau zerfielen und nicht einmal einen Namen hatten. Ich sammelte eine auf, einen nicht ganz festen kühlen Ball, um den einen oder anderen zu fragen, was für eine Frucht es war. Zoran roch daran und zuckte mit den Schultern. Die liegen nur am Straßenrand, sagte er. Keiner kann sie brauchen. Nicht mal die Vögel wollen sie.
    Die Frucht schrumpelte langsam auf meiner Veranda, wurde immer unscheinbarer, farbloser, irgendwann war sie verschwunden.
    Wie fand man sich zurecht in einem so unwägbaren Landstrich? Wo ließ das Herz sich nieder zwischen so Namenlosem, wo hielt sich das Auge fest, zwischen Staub und Sumpf, wenn nicht am Horizont, der aber doch unweigerlich das Nicht-hier ist? Vor dem die Ruhe und die Ruhelosigkeit zu einem wurden?

GOTTLOB
    Gottlob war ein Friedhofsdorf, unwillkürlich kam der Blick von der Straße ab und schlug sich am Friedhof entlang über einen tiefen Feldweg, bis hin zu den letzten Gräbern, einem Gedränge von Kreuzen am Rand zum offenen Feld. Gegenüber dem Friedhof ruhte die Tankstelle neben blauen Gasflaschenkäfigen. Zwischen den Zapfsäulen lungerte ein Mann in Overall herum, Tankwart, fiel mir bei seinem Anblick ein, so alt kam mir das Wort plötzlich vor, zerfiel in meinem Kopf in seine Einzelteile, während es in dieser dörflichen Mittagsleisigkeit der Fremde mir in den Sinn wehte, ein blaues Wort aus Öl- und Staubgerüchen. Zwei Zigeunerkinder zogen einen Leiterwagen mit einer leeren Gasflasche zur Tankstelle, Hunde trieben sich am Straßengraben herum.
    Deutsche Grabstätten unter hohen Bäumen, ovale Fotografien der Betrauerten, Frauen strenger Frisur und kühlen Blicks, Herren mit steifen Kragen und Schnauzbärten, lauter Längstverstorbene, Friederike, Gertrud, Wilma, Paul, Otto, Oskar, Herrmann. Zeit und Wind und allgemeine Unbill hatten an vielen Bildnissen gezehrt. Hier und da blassten nur noch die leeren ummeißelten Ovale im grauen Stein, Gesichter waren zu

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