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Banatsko (German Edition)

Banatsko (German Edition)

Titel: Banatsko (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Kinsky
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nach dem einen Aufprall nur noch zum Schrottgroschen taugende Auto, mit dem man zum Fest aufgebrochen war! Vergeblich suchten die Augen nach Blut, kein Tropfen dunkel im Straßenstaub. Enttäuschung fand sich auf den Gesichtern der Schaulustigen ein – wie konnte es sein, dass etwas so sehr zerbrach und keine Verletzungen mit sich brachte? Ein Handgemenge zwischen den Unfallfahrern bahnte sich an, und zwei, drei Männer scheuchten die Unfallkinder zusammen, vom Fahrrad weg, das in den Straßengraben sank, und trieben sie als verschreckten Schwarm wieder zurück an die Stelle ihres großen Unglücks, als ein Krankenwagen kam und hinter diesem die Polizei. Der Daciavater zog seine Fäuste aus dem Handgemenge und warf sich ohne Zögern auf die Bahre, kaum hatten die Sanitäter sie hervorgeholt, und die Männer aus dem großen verbeulten Auto versteckten sich hinter ihren Sonnenbrillen und schickten sich ebenfalls an, Opfer zu sein.
    Ratlos verharrten die Sanitäter mit Bahre und Vater am Straßenrand. Die kleine Menge der Schaulustigen wandte sich den Polizisten und den Geschädigten aus dem großen Auto zu. Zwischen Brennholz und Geräten ließ die alte Frau die Schürze sinken, der betrunkene Sohn schlich durchs Tor ins Vaterhaus. Die Kinder in ihren schwarzen Anzügen scharten sich um die Bahre. Sie hielten die Köpfe gesenkt, während der Vater mit erhobener Hand zu ihnen sprach. Sie fügten sich so zu einem ganz feierlichen Bild, als hätten sie in weiser Voraussicht ihre Feiertagskleidung für diesen Augenblick angelegt, in dem ihnen zum heimatlosen Verbleib auf diesem staubigen Dazwischen, von Aufbruch und Ankunft gleichermaßen entfernt, der unverhoffte Segen erteilt wurde.

LENAUHEIM
    Der Himmel stand blau und weiß in den Pfützen unter der unzeitigen Hitze des Frühjahrs, die Wiesen und Gärten, kaum vom zerschmolzenen Winter überschwemmt, in dampfendem Dunst, die Hunde suchten den Schatten, die Katzen die Sonne. Lenauheim lag sonntagsstill. Die Scheiben des Wartesaals im Bahnhof klafften, Gleise liefen in beide Richtungen davon, in einem leisen Schwung, von Wasserwiesen gesäumt, bis an den Rand des Himmels, die Telegrafenmasten zitterten, stille Buchstaben der Ferne und Entfernung. Am Bahnhof machte sich ein Mann mit spärlichem Haar in einem Garten zu schaffen, er wollte hier wohnen, die Familie hatte er schon in den oberen Räumen einquartiert, denn hier gab es Platz. Jetzt säte er Karotten, Petersilie, Liebstöckel, Matthiolen und Levkojen, nichts mit verzweigtem Wurzelwerk wie das wütende Unkraut, das in der sausenden Hitze der Sommermonate alles beiseite drückte. Der Mann richtete sich auf und redete in einem fort, als hätte er beim gebückten Hacken und Wühlen in der feuchten Erde etwas einstudiert, das er nun zum Besten geben wollte. Er hatte auf Zuhörer gewartet, dabei war ihm jedes Anliegen lieb, so stand er wichtig da, die Beine leicht gespreizt, die kleine Hacke in der abgewinkelten Hand, und hielt einen Vortrag über den Zustand der Eisenbahnen in diesem Winkel Rumäniens. Bei uns, sagte er immer wieder, bei uns macht man jetzt die Stationen zu, jetzt sollen die Schaffner die Fahrscheine verkaufen, es wird keine Bahnhöfe mehr geben, nur noch Bahnsteige, wo man in den Zug einsteigen und aus dem Zug aussteigen kann, allenfalls wird es einen Bahnsteigswächter geben, einen womöglich klumpfüßigen und zu nichts weiterem tauglichen Bahnwärter, der die schlimmsten Unfälle durch seine bloße Anwesenheit vermeiden soll, Stürze von den steilen Türstufen, Kollisionen mit kreuzenden Fahrzeugen etwa, Handgemenge unter Diebstahlsvorwürfen, er soll eine Herberge für Abstellgut der Reisenden bieten, ein Licht in der Dunkelheit der langen Winternächte, doch unsere schönen königsgelben Bahnhöfe werden dem Verfall preisgegeben, die hübschen Schalterfenster, die hölzernen Vertäfelungen der Warteräume, das Schnitzwerk an den Giebeln der überdachten Perrons.
    Gibt es hier noch Deutsche?, hatte ich ihn gefragt, so bekam ich diesen Vortrag zu hören, und ganz zum Schluss sagte er: Was wollen Sie denn von den Deutschen, ich sagte: Nichts.
    In der Kindheit mussten wir Drei Zigeuner sah ich einmal singen, die Sonne fiel schwach durch die Wipfel hoher Bäume, im Herbst war das Licht weiß vom Nebel, der vom Fluss aufstieg, ein Gartenzwergland zwischen Hügeln und festen Worten, da saßen wir und sangen deutsches Liedgut mit dünnen Stimmen, und ich wartete immer auf diese Drei Zigeuner und das

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