Banatsko (German Edition)
den ersten Bluttaten hinfällig. Mit einem Schlag wurde meine im Entstehen begriffene Lehre noch vor ihrer Blüte zu welkem Vergangenheitsgut. Mich warf das Schicksal von Ort zu Ort. Ein tapferer Soldat mit Helm und Gewehr sagte eines Tages im schützenden Schatten eines Flüchtlingshauses zu mir: Verschwinde. So kam ich hierher.
Antun stieß den Arm vor und wedelte damit hin und her, als wollte er alles wegwischen, den grauen Wind, die kalte Stadt, die Kellnerin und das Lokal, auch die Volksmusik.
Hierher, wo es keinen einzigen Stein gibt. Wo die Felder das halbe Jahr im Sumpfwasser stehen, wo das Land so weit reicht wie der Himmel, wo die schlammigen Flüsse keinen einzigen Kiesel führen. Ich bin nun bestenfalls ein Gesteinsforscher in einer Gegend, in der es nichts gibt als Erde, als Felder und Brachland, wo der Anblick der Vögel die einzige Rettung ist, der Störche und Reiher und Habichte, der Schwalben im Sommer und der Krähen im Winter, in einer Gegend, in der sich mir für meine Forschung, könnte ich ihr wieder nachgehen, nichts bietet als Dreck. Dreck, der im Herbst zu schwarzem Schlamm zerfließt, sich im Sommer in grauen Staub auflöst und im Winter zu unförmigen Klumpen gefriert. Dreck .
Antun hatte sich in Hitze geredet, sie warf rote Flecken auf seine Wangen. Er schickte sich zum Aufbruch an, ich folgte ihm, die blasslockige Kellnerin stand in der Mitte des Lokals, die Hände unter ihrer kleinen Schürze verschränkt, und schaute uns beim Klang der Volkslieder nach.
Auf Antuns Fersen sah ich die Stadt noch einmal. Ich las die Schilder von Anwälten, Tier- und Zahnärzten und Geschäften. Ich erkannte die starrgestutzten Bäume vom Vormittag wieder, sah einen Mann im Vorgarten Holz hacken und die Anlage einer medizinischen Badeanstalt. Der Rost auf alten Toren fügte sich gehorsam ins Nachmittagslicht, durch die bereits hineingefressenen Löcher schauten noch winterstille Gärten heraus. Antun ging mit großen Schritten, warf seine Arme in diese oder jene Richtung, lachte einmal auch auf, das war seine Stadtführung. Wir hielten uns am Rande der Stadt, umkreisten sie, immer wieder in die Lücken tauchend, durch die eine große umgebende Leere in die Stadt strömte. Irgendwo würden sich die Gärten hinter den rostigen Toren und die Leere des Umlands vermischen.
An einer Biegung der Straße hielt Antun an. Die Stadt lag hinter uns. Gleise kreuzten die Straße, im Straßengraben stand Wasser, Winterschilf raschelte. Antun drehte sich zu mir um, sein Gesicht blass und höflich, den Koffer halb erhoben, ein auf der Strecke gebliebener Vertreter. Lautlos kam ein Zug, ein blechernes Tier mit blinden Scheiben und einer klappernden Tür, in der ein Schaffner hing und eine rote Kelle herausstreckte. Der Zugführer hielt. Antun sprang mit großer Behändigkeit in den Waggon, verschmähte den Arm des Schaffners, versank im dunklen Innern des Waggons, vielleicht sollte eine letzte aus der Zugtür schnellende Armbewegung ein Abschiedsgruß sein.
Der Zug glitt weiter, hinterließ die Landschaft leer. Der Wind legte sich, und als ich nach Kanijža zurückkam, war die Stadt nicht mehr grau. Frühling lag in der Luft, Großmütter saßen auf Parkbänken in der kleinen Grünanlage und beobachteten ihre Enkelkinder. Auf dem Markt standen Frauen mit leeren Körben und plauderten zwischen den geschlossenen Ständen, in der Tiefe eines Gartens lachten Männer, einer warf abgeschnittenes Reisig aus Baumkronen hinab, ein schwarzer Haufen türmte sich schon am Zaun, vielleicht für ein Feuer. Kneipen waren geöffnet, im Venezia lächelte die Kellnerin aus dem Fenster, Gäste saßen im frühen Lampenschein, Mädchen mit rotbuntem Haar suchten im Chinesengeschäft Kleidungsstücke aus. Sie hielten sich gegenseitig Oberteile vor und kicherten zum nervösen Trommeln der Chinesinnenfinger auf der Ladentheke.
BATTONYA
Die buckligen Geschwister bauten Kartoffeln an. Über den Winter waren sie noch gebückter geworden, und aus der Ferne sah es aus, als bewegten sie sich auf allen Vieren durch das Feld. Im letzten Jahr hatten sie die Farbe von Maisstroh gehabt, in diesem Jahr würden sie kartoffelfarben umherschleichen.
Ich hörte sie hinter dem neuen Zaun husten, tuscheln und hantieren, ihr Schlurfen im trockenen Vorjahresgras.
Für die Kartoffeln zog der bucklige Bruder Furchen, die Schwester legte die Kartoffeln aus, und eine breite kleinköpfige Gehilfin häufelte die Erde darüber. Vom Morgen bis zum Abend krochen sie
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