Banatsko (German Edition)
Grimassen, Grinsen, Blindheit geborsten und angefressen oder zu einem hellen Fleck erbleicht, dem kein Gesichtszug mehr geblieben war. Zwischen den Gräbern Veilchengrün, an Grabsteinen lehnten Rosen vergangener Jahre, farbloses Gestrüpp, unverfault, nur so dahingewelkt und vertrocknet. Hinter den deutschen Gräbern lagen die rumänischen zwischen Sonnenflecken und Kieseln. Früher, als es noch deutsche Begräbnisgesellschaften gab, schlurfte und scharrte jeder dunkel unter dem Pastorenhauch nach seiner Schaufel Erde davon, in ein deutsches Wirtshaus zu Trauer und Trost. Am rumänischen Grab wurde unterdessen im Schatten des Popen süßer Wein oder Schnaps getrunken und kleines Gebäck verzehrt. Speise für jeden, den es, und sei es nur aus Hunger, in diesen Abschied verschlagen hatte.
Es war still auf dem Friedhof, nur am fernen Ende standen zwei Frauen bei einem rumänischen Grab. An der Tankstelle rasselte der Gasflaschenkäfig. Hinter dem Friedhof erstreckte sich eine Wiese, ein unbestelltes, vielleicht verwaistes Feld, noch mischte sich übriggebliebener Winter zwischen das Gras, frühe spärliche Blumen, die wenigen Wolken warfen Schatten, in der Ferne ein paar Bäume, leeres Land so weit das Auge reichte, blaue Umrisse ferner einzelner Gebäude, so schwach und zitternd in der Luft, als könnte sie der Wind mit einem Schwung davontragen, um ihre Stelle mit mehr Himmel zu füllen. Mir fiel das Wort Heimweh ein, ein schönes Wort, dachte ich. Kannte ich Heimweh, ein Verlangen nach einem Ort, dem man zugehört, dessen Vertrautheit alles andere in den Schatten stellt, ein Verlangen, das jedes andere Verlangen augenblicksweise verzehrt und nur noch dieser Zugehörigkeit gilt? Nein, ich kannte dieses Gefühl nicht und konnte mir doch hier, an diesem mir gänzlich fremden Ort, der mir durch nichts lieb oder unlieb sein konnte, mit diesen Gräbern, Namen, teils versehrten Gesichtern völlig Unbekannter im Rücken und den wogenden Spuren des Winds im Gras vor mir vorstellen wie sich Heimweh anfühlt, nicht in meinem Herzen nach einem grundheimatlichen Ort, den es nicht gab, sondern in einem Irgendherz und nach diesem Ort, nach diesem Licht, diesem Blick zum Horizont, nach dieser Biegung der Wege und Neigung der Schatten, den Frühjahrstümpeln und dem Surren der Flügel großer Vögel.
Ich fuhr weiter nach Bulgarus, Iecea Mare und Iecea Mica und Cărpinis, kleine Dörfer mit langen baumgesäumten Wegen zum Horizont, zwischen den Dörfern holprige Alleen mit ihrem Zubehör aus Pferdchen, Wagen und den wanderäugigen Reisenden darauf. Die Kirschbäume blühten, kalkweiße Stämme in langen Reihen zwischen Häusern und Weg, es war in der Woche vor den rumänischen Ostern, und in den Gräben am Wegrand qualmte das Reisig der gestutzten Bäume in schüchternen Feuern, schwarzgekleidete Frauen und Mädchen kehrten aus der Kirche heim.
Im Dämmer kam ich nach Sinpetru German, im schwindenden Licht schwebten die Dinge, die sonst am Boden haften, die Luft war erfüllt von klopfendem Trommeln, Holz auf Holz, kleine Rhythmen, die sich ineinander verschlangen, sich wiederholten und voneinander entfernten, Frauen traten vor die Hoftore und standen reglos in den Dämmer und die Trommellaute gehüllt, hölzerne Abendlieder, die nicht aufhören wollten. Klangversuche zur Überwindung der Schwerkraft der Dinge.
Toaka, sagte ein Mädchen zu mir, ungefragt, sie saß unter einem Kirschbaum am Rand der Straße, wo ich hielt, ohne sie zu sehen. Das ist die Toaka, wenn die Glocken nicht geläutet werden dürfen.
Ein kluges Kind, das seine Welt dem Fremden zu erklären weiß.
Nimmst du mich mit?, fragte sie, sie schwenkte eine kleine Tasche und stieg ein.
GRABAŢ
Zu den rumänischen Ostern war die Luft hellbunt über den Feldern. Vom Kalvarienhügel des Friedhofs in Grabaţ sah man hellgrüne Wolken, die sich um die Chausseebäume gelegt hatten, schütteren Flieder in Gartenecken, Inseln aus Wiesenschaumkraut und Löwenzahn in den Feldsenken. Jungen spielten Fußball auf einer Wiese hinter hohen Baumstämmen, sie waren Farben, die zueinander und auseinander strömten. Sie stießen Rufe aus, pfiffen, wurden dann still und langsam, gingen mit schlenkernden Armen und auf schwachen Knien davon, als wären sie aus einem Traum erwacht oder hätten auf einen Pfiff hin das Spiel verlernt. Der Himmel stand weißlich über den schwarzen Vogelhäkchen, die zwischen den Baumspitzen ihre kleine Frühlingssprache in die Luft kritzelten. Die
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