Band 1 - Blutspur
rief jemand mit gedämpfter Stimme. Ich fühlte, wie sich in meinem Magen ein Knoten löste. Er hatte »sie« gesagt, Baron war also noch immer auf freiem Fuß.
Jenks kehrte zurück und kam zu mir in den Schrank.
»Verdammt, tut das gut, dich zu sehen. Ivy hat nichts anderes getan, als auf eine Karte von Trents Grundstück zu starren, die sie irgendwo ausgegraben hatte. Nächtelang hat sie vor sich hin gemurmelt und sich irgendwelche wilden Notizen gemacht, und am Ende ist jedes Blatt zerknül t in der Ecke gelandet. Meine Kids haben jetzt noch einen Mordspaß dabei, in ihrem Papierhaufen Verstecken zu spielen. Ich glaube, sie hat gar nicht registriert, dass ich weg bin. Sie sitzt bloß vor ihrer Karte und trinkt Orangensaft.«
Ich roch Schmutz. Während Jenks wie ein Brimstonejunkie auf Entzug vor sich hin brabbelte, erkundete ich den muffigen Küchenschrank. So fand ich heraus, dass hier ein Abflussrohr der Spüle im Holzboden verschwand. Die Lücke zwischen Rohr und Boden war gerade breit genug für meine Schultern. Ich begann zu nagen.
»Ich habe euch doch gesagt, dass ihr den Hund wegschaffen sol t!«, rief eine gedämpfte Stimme. »Nein, wartet. Habt ihr eine Leine da? Er könnte sie finden.«
Jenks kam näher. »Hey, der Boden. Das ist eine gute Idee!
Ich helfe dir.« Er landete neben mir und stand mir prompt im Weg.
»Hol Baron«, versuchte ich zu quieken.
»So kann ich dir helfen.« Jenks löste demonstrativ ein zahnstochergroßes Stück Holz aus dem Loch.
»Die Ratte«, schnatterte ich. »Er kann nicht sehen.«
Frustriert kippte ich einen Behälter mit Reinigungsmittel um.
Das Pulver rieselte heraus, und der Geruch nach Pinienholz wurde unerträglich. Ich schnappte mir Jenks' Zahnstocher und schrieb: »Hol Ratte.«
Der Pixie hob vom Boden ab und hielt sich mit einer Hand die Nase zu. »Wieso?«
»Mann«, kritzelte ich. »Kann nicht sehen.«
Jenks grinste. »Du hast einen Freund gefunden! Warte, bis ich das Ivy erzähle.«
Ich fletschte die Zähne und zeigte mit dem Holzsplitter auf die Tür. Er zögerte noch immer. »Du wirst hier bleiben? Und machst das Loch größer?«
Frustriert warf ich das Stöckchen nach ihm. Jenks wich zurück. »Okay, okay! Mach dir mal nicht gleich ins Höschen.
Nein, warte. Du hast ja gar keins an, oder?«
Sein Lachen klang wie die Freiheit selbst, als er durch den Spalt in der Tür verschwand. Ich machte mich wieder daran, am Boden zu nagen. Er schmeckte furchtbar, wie eine faulige Mischung aus Seife, Fett und Moder. Irgendwie war mir klar, dass ich früher oder später kotzen müsste. Die Anspannung schnürte mir die Luft ab, und jedes unvermittelte Geräusch ließ mich zusammenzucken. Ich wartete auf das Triumphgeheul eines erfolgreichen Jägers. Glücklicherweise schien der Hund nicht zu verstehen, was von ihm erwartet wurde. Er wol te nur spielen, und die Laune der Verfolger wurde immer mieser.
Mein Kiefer schmerzte, und ich unterdrückte einen Frustrationsschrei. Irgendwie war Putzmittel in die Wunde an meinem Ohr gelangt, und es brannte höl isch. Ich versuchte, meinen Kopf durch das Loch in den Zwischenraum zu stecken. Wenn mein Kopf durchpasste, dann konnte ich den Körper wahrscheinlich hinterherschieben. Aber es war noch nicht groß genug.
»Schaut her!«, rief irgendjemand. »Es funktioniert, er hat eine Spur.«
Verzweifelt riss ich meinen Kopf aus dem Loch, wobei ich mir mein Ohr wieder aufriss. Aus dem Flur kamen jetzt kratzende Geräusche, und ich nagte mit doppelter Geschwindigkeit weiter. Undeutlich hörte ich Jenks' Stimme.
»Es ist die Küche. Rachel ist unter der Spüle. Nein, der nächste Schrank. Beeil dich, ich glaube, sie haben dich gesehen.«
Ein Schwal von Licht und Luft drang in den Schrank, und ich setzte mich auf und spuckte etwas Holzbrei aus.
»Hi, wir sind zurück! Ich habe deine Ratte gefunden, Rachel.«
Baron schaute mich an, seine Augen leuchteten. Dann schob er schnel seinen Kopf in das Loch und begann zu nagen. Da die Öffnung für seine breiten Schultern nicht groß genug war, machte ich mich daran, die Oberkante des Loches zu erweitern. Als im Korridor Hundegebel erklang, erstarrten wir kurz, dann nagten wir weiter. Ich spürte mal wieder das vertraute Ziehen in meinem Magen.
»Ist es groß genug?«, rief Jenks. »Los, beeilt euch!«
Ich steckte meinen Kopf neben den von Baron in das Loch und nagte wie wild. Etwas kratzte an der Schranktür. Die einfal enden Lichtstrahlen zitterten, als die Tür gegen den Rahmen
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