Band 1 - Blutspur
über die Lehne hinweg und drehte das Buch. Sein Aftershave roch sauber und ein wenig nach Holz. Es war ebenso angenehm wie seine ruhige Stimme und die sanfte Hand, die mich unbeabsichtigt streifte. Er war der klassische Lakai eines Vampirs: gut gebaut, schwarz gekleidet und mit einem schon beängstigend starken Bedürfnis nach Akzeptanz. Nicht zu vergessen das fehlende Verständnis für den persönlichen Wohlfühlbereich.
Als er auf das Buch klopfte, riss ich mich von seinem Blick los. »Oh.« Plötzlich ergab al es einen Sinn. »Oh!« Ich errötete heftig und schlug das Buch zu. Es waren zwei Beteiligte. Drei, wenn man den mit dem. . was auch immer das war, mitzählte.
»Und das haben Sie überlebt?« Ich wusste nicht, ob ich schockiert, angewidert oder beeindruckt sein sol te.
Sein Blick wurde beinahe ehrfürchtig. »Ja. Ich konnte meine Beine zwei Wochen lang nicht bewegen, aber es hat sich gelohnt.«
Mit klopfendem Herzen steckte ich das Buch in meine Tasche. Inzwischen erhob er sich mit einem charmanten Lächeln und schlenderte nach vorne, um auszusteigen. Es war nicht zu übersehen, dass er humpelte. Ich wunderte mich, dass er überhaupt gehen konnte. Während er die Treppe hinunterstieg, sah er mich unverwandt an; schließlich zwang ich mich, die Augen abzuwenden.
Von Neugier gepackt, holte ich Ivys Buch wieder aus der Tasche, noch bevor die letzten Fahrgäste den Bus verlassen hatten. Mit klammen Fingern öffnete ich es. Ich ignorierte das Bild und las stattdessen das Kleingedruckte unter der fröhlichen Anleitung. Mir wurde übel.
Es war eine Warnung, dieser Art der Vereinigung nicht zuzustimmen, bevor man nicht mindestens dreimal gebissen worden war. Andernfal s bestand die Möglichkeit, dass sich nicht genügend Vampirspeichel im Kreislauf befand, der die Schmerzrezeptoren so weit ausschaltete, dass der Schmerz als Lust empfunden werden konnte. Es gab sogar Tipps gegen Ohnmachtsanfäl e, wenn man tatsächlich zu wenig Vampirspeichel in sich trug und dem quälenden Schmerz ausgeliefert war. Offenbar verringerte sich der Genuss des Vampir-Liebhabers, wenn es zu einem Blutdruckabfal kam.
Doch es gab keine Hinweise, wie man ihn oder sie aufhalten konnte.
Erneut fielen mir die Augen zu. Als ich sie, aufgeschreckt durch die einsteigenden Fahrgäste, wieder öffnete, sah ich den Mann auf dem Bürgersteig stehen. Er beobachtete mich.
Dabei lächelte er, als sei ihm nie fachgerecht in die Leiste geschnitten und anschließend sein Blut in einer unheiligen Kommunion getrunken worden. Er hatte es genossen, oder zumindest dachte er das.
Auf einmal hob er die Finger zum Pfadfindergruß, führte sie an die Lippen und hauchte mir einen Kuss zu. Als der Bus sich wieder in Bewegung setzte, ging er endlich weiter, wobei ihm sein langer Mantel gegen die Beine schlug.
Ich starrte noch immer aus dem Fenster. Hatte Ivy jemals bei so was mitgemacht? Viel eicht hatte sie aus Versehen jemanden getötet. Viel eicht war das der Grund, warum sie abstinent war. Viel eicht sol te ich sie fragen. Viel eicht sol te ich aber auch einfach meine Schnauze halten, damit ich nachts ruhig schlafen konnte.
Ich schloss das Buch und schob es ganz nach unten in meine Tasche. Dabei stieß ich auf ein Stück Papier mit einer Telefonnummer, das zwischen die Seiten geschoben worden war. Ich zerknül te es und stopfte es zu dem Buch in die Tasche. In diesem Moment kam Jenks zurück, der mit dem Fahrer gesprochen hatte.
Er landete auf der Lehne meines Vordersitzes. Heute trug er Arbeitskleidung: al es schwarz, bis auf einen knal roten Gürtel. »Keine Zauber gegen dich, auch nicht von den neu Zugestiegenen«, verkündete er fröhlich. »Was wol te der Typ gerade?«
»Nichts.« Ich vertrieb die Erinnerung an dieses Bild aus meinem Kopf. Wo war Jenks letzte Nacht gewesen, als Ivy mich in ihren Klauen hatte? Das hätte ich gern gewusst.
Normalerweise hätte ich ihn danach gefragt, aber ich hatte Angst, er könnte sagen, es sei meine eigene Schuld gewesen.
»Nein wirklich«, bohrte Jenks weiter. »Was hat er gewol t?«
Ich starrte ihn an. »Nein wirklich - nichts. Und jetzt vergiss es.« Ich war nur froh, dass der Tarnzauber schon wirkte. Ich hatte keine Lust, dass Mr. Neunundvierzig mich bei einer zukünftigen Begegnung auf der Straße wiedererkannte.
»Ist ja schon gut.« Jenks ließ sich auf meinem Ohrring nieder und begann zu summen: Strangers In The Night.
Seufzend fand ich mich damit ab, nun den Rest des Tages von diesem Song
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