Band 2 - Blutspiel
mittlerweile so viel Raum wie möglich zwischen uns gebracht hatte. »Ich wil hier lernen, wie ich ihn von mir fernhalten kann, Dr. Anders.
Ich werde keinen Dämonologieunterricht nehmen. Ich fürchte mich vor ihnen.«
Den letzten Satz hatte ich nur noch geflüstert, aber jeder hatte ihn gehört. Dr. Anders wirkte betroffen. Mir war die ganze Situation ziemlich peinlich, aber wenn sie mich dadurch in Ruhe ließ, war es das wert.
Mit lauten Schritten ging sie zum Pult. »Gehen Sie nach Hause, Ms. Morgan« sagte sie, den Blick auf die Tafel gerichtet. »Ich weiß, warum Sie hier sind. Ich habe meine ehemaligen Studenten nicht umgebracht, und Ihre unausgesprochene Anschuldigung beleidigt mich.«
Mit dieser äußerst angenehmen Feststel ung drehte sie sich um und schenkte dem Kurs ein verkrampftes Lächeln.
»Wenn der Rest von Ihnen so freundlich wäre, jetzt Ihre Skizzen der Pentagramme des 18. Jahrhunderts hervorzuholen? Wir werden am Freitag einen Test schreiben.
Für nächste Woche lesen Sie bitte die Kapitel sechs, sieben und acht in Ihren Büchern und machen die dazugehörigen praktischen Übungen. Janine?«
Als ihr Name aufgerufen wurde, schreckte das Mädchen auf. Sie war völ ig in den Versuch vertieft gewesen, einen Blick auf mein Handgelenk zu erhaschen. Ich war immer noch ganz durch den Wind, und meine Finger zitterten, als ich mir die gestel ten Hausaufgaben notierte.
»Janine, Sie sol ten zudem die Anmerkungen am Ende vo Kapitel sechs lernen. Ihre Kontrol e bei der Abgabe gespeicherter Kraftlinienenergie lässt zu wünschen übrig.«
»Ja, Dr. Anders«, nuschelte sie mit kreidebleichem Gesicht.
»Und setzen Sie sich neben Brian. Von ihm können Sie mehr lernen als von Ms. Morgan.«
Das brauchte sie ihr nicht zweimal zu sagen. Noch bevor Dr. Anders den Satz beendet hatte, hatte sich Janine ihre Tasche und ihr Buch geschnappt und war an den Nebentisch geflüchtet. Jetzt war ich vol kommen al ein. Ich fühlte mich beschissen. Janines geliehene Kreide lag neben meinem Buch wie eine stumme Anklage.
»Kommenden Freitag werde ich außerdem die Verbindung zu Ihren Schutzgeistern überprüfen, da wir in den nächsten Wochen eine Lektion über Langzeitbeistand beginnen. Bitte bringen Sie sie mit. Der Vorgang wird einige Zeit beanspruchen, deshalb sol ten Studenten, deren Name sich am Ende des Alphabets befindet, darauf einstel en, länger zu bleiben.« Einige meiner Kommilitonen stöhnten gelangweilt, al erdings ohne die Herzlichkeit, die sonst sicherlich dazugehörte. Mein Magen hing mir wieder in den Kniekehlen. Ich hatte keinen Schutzgeist. Und wenn ich bis Freitag keinen auftreiben konnte, würde sie mich rausschmeißen. Genau wie letztes Mal.
Dr. Anders schenkte mir ein Lächeln von der Warmherzigkeit einer Vogelscheuche. »Ist das ein Problem für Sie, Ms. Morgan?«
»Nein«, log ich. Ob sie nun die Verbrechen begangen hatte oder nicht - ich hatte plötzlich große Lust, sie ihr anzuhängen. »Nein, überhaupt kein Problem.«
8
Glücklicherweise mussten wir nicht in einer Schlange warten, als Glenn mit dem FIB-Zivilwagen vor Piscarys hielt.
Sobald der Wagen stoppte, standen Ivy und ich schon auf der Straße. Die Fahrt war für keinen von uns angenehm gewesen, da wir beide die Erinnerung an den Übergriff in der Küche noch deutlich vor Augen hatten. Heute Abend hatte sie sich merkwürdig verhalten, einerseits zurückhaltend, andererseits irgendwie aufgeregt. Es war eine Stimmung, als würde sie mich heute ihren Eltern vorstel en. In gewisser Weise war es wohl auch so, denn bei Piscary begann die Blutlinie ihrer Vampirfamilie.
Glenn gähnte, als er bedächtig aus dem Auto stieg und sein Jackett anzog, war aber wach genug, um Jenks wegzu-wedeln, der um seinen Kopf kreiste. Mr. Detective schien sich bei seinem ersten Besuch in einem exklusiven Inderlander-Restaurant gar nicht so unwohl zu fühlen. Irgendwie wirkte er dadurch noch komplexbeladener. Ein Schnel merker war er offenbar nicht.
Glenn hatte einem Klamottenwechsel zugestimmt und seine förmliche Dienstkleidung gegen eine Jeans und ein ausgewaschenes Flanel hemd eingetauscht, die Ivy in ihrem Schrank gefunden hatte. Die Kleidung lag in einer Box mit der verblichenen schwarzen Aufschrift »Überreste«. Sie passte ihm wie angegossen. Ich wol te lieber gar nicht wissen, wie Ivy an die Klamotten gekommen war oder warum sie an einigen suspekten Stel en ordentlich gestopfte Risse aufwiesen. Ein Nylonjackett verbarg die Waffe, die abzulegen er
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