Band 2 - Blutspiel
Status eines Thronfolgers, den kluge Vampire, lebende wie tote, respektierten.
Ich holte tief Luft, um das schwammige Gefühl in den Knien zu vertreiben. Großartig. Jetzt kam ich auch noch als Einzige zu spät in das Seminar, das mit Sicherheit schon begonnen hatte.
In dem Bewusstsein, dass dieser Tag wohl nicht mehr schlimmer werden konnte, sammelte ich mich und betrat den Raum, der durch die großen Fenster, die eine guten Blick auf den Campus ermöglichten, hel erleuchtet war.
Genau wie Janine gesagt hatte, wirkte der Vorlesungssaal eher wie ein Labor. An jedem der hohen gefliesten Tische saßen zwei Studenten. Wie versprochen hatte mir Janine, die gerade in ein Gespräch mit Jenks vertieft war, einen Platz freigehalten.
Der stechende Ozongeruch von Dr. Anders' hastig konstruiertem Kreis drang mir in die Nase. Der Kreis selbst war verschwunden, doch die Überreste der Energie kitzelten meine Nasennebenhöhlen. Mein Blick richtete sich auf die Schöpferin dieses Werks, die an einem hässlichen Metal tisch vor einer altmodischen Tafel saß.
Sie hatte beide El bogen auf den Tisch gestützt und das Kinn in die Handflächen gelegt. Ich konnte ihre zitternden Finger sehen und fragte mich, ob das ein Zeichen ihrer Wut über Denons Anschuldigungen war, oder ob es eine Nachwirkung ihres starken Eingriffs ins Jenseits war, um einen magischen Kreis ohne physische Manifestation zu erstel en. Der Kurs wirkte ungewöhnlich ruhig.
Dr. Anders trug ihr dunkles Haar in einem strengen Knoten, der von einigen unvorteilhaften grauen Strähnen durchzogen war. In ihren konservativ geschnittenen hel braunen Hosen und der geschmackvol en Bluse wirkte sie älter als meine Mutter. Ich versuchte jegliche Aufmerksamkeit zu vermeiden, schlängelte mich klammheimlich zwischen den ersten beiden Tischreihen hindurch und setzte mich neben Janine.
»Danke«, flüsterte ich ihr zu.
Ich verstaute meine Tasche unter dem Tisch und bemerkte dabei Janines weit aufgerissene Augen. »Du arbeitest für die I. S.?«
Ich sah verstohlen zu Dr. Anders. »Früher mal. Letztes Frühjahr habe ich den Job geschmissen.«
»Ich wusste nicht, dass man bei der I. S. kündigen kann«, sagte sie, noch erstaunter.
Ich zog die Schultern hoch und schob meine Haare zur Seite, sodass Jenks auf seinem Stammplatz landen konnte.
»Es war auch nicht ganz einfach.« In diesem Moment erhob sich Dr. Anders von ihrem Stuhl und zog unsere Aufmerksamkeit auf sich.
Mit ihrem langen, hageren Gesicht und einer Nase, die dem Klischee einer Hexe aus der Zeit vor dem Wandel entsprach, flößte sie mir noch genauso viel Furcht ein wie früher. Al erdings hatte sie weder Warzen noch grüne Haut.
Sie strahlte eine unglaubliche Autorität aus und fesselte die Kursteilnehmer al ein durch ihre körperliche Präsenz. Mit nun wieder ruhigen Fingern nahm sie einen Stapel Papier vom Tisch. Theatralisch setzte sie ihre Nickelbril e auf und studierte betont gründlich ihre Aufzeichnungen. Ich hätte wetten können, dass sie die Gläser mit einem Spruch belegt hatte, um damit Kraftlinienzauber erkennen zu können. Am liebsten hätte ich meine eigene Bril e aufgesetzt, um festzustel en, ob sie sich mit Hilfe der Kraftlinien absichtlich verunstaltete, oder ob sie von Natur aus so hässlich war. Mit einem Seufzer blickte sie schließlich auf. Durch die verzauberten Gläser sah sie mir direkt in die Augen.
»Ach ja«, sagte sie langsam, was mir einen Schauer über den Rücken jagte. »Wir haben heute ja einen Neuzugang.«
Ich heuchelte ein Lächeln. Es war offensichtlich, dass sie mich erkannt hatte, denn ihr Gesicht hatte sich verzogen und ähnelte nun einer schrumpeligen Dörrpflaume.
»Rachel Morgan«, bel te sie.
»Hier«, antwortete ich ausdruckslos.
In ihrem Gesicht blitzte Ärger auf. »Wir kennen uns ja bereits.« Mit bestimmten Schritten kam sie auf mich zu und blieb direkt vor mir stehen. Sie lehnte sich nach vorn und betrachtete den Pixie. »Und wer sind Sie, Herr Pixie?«
»Ähhh, Jenks, Madam«, stammelte er und schlug so hektisch mit den Flügeln, dass sie sich fast in meinen Haaren verfingen.
»Jenks«, antwortete sie in einem Ton, der an Respektlosigkeit grenzte. »Es freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Sie stehen nicht auf meiner Teilnehmerliste. Bitte verlassen Sie den Kurs.«
»Ja, Madam.« Überrascht merkte ich, wie sich der normalerweise arrogante Pixie von meinem Ohrring abstieß.
»Sorry, Rachel«, flüsterte er mir zu. »Ich warte in der Mensa oder in
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