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Banditenliebe

Banditenliebe

Titel: Banditenliebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Massimo Carlotto
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würde.
    Die größten Unterstützer dieses Gesetzes waren natürlich die Mafiosi jeder Nationalität. Endlich würden sie sich die lästige Kleinkriminalität vom Hals schaffen können, die immer wieder für Schlagzeilen sorgte und die Geschäfte störte.
    Unterdessen vertrauten die braven Bürger des Nordostens ihre alten Angehörigen weiterhin illegalem Pflegepersonal an und ließen ihre Häuser von Putzfrauen ohne Papiere saubermachen. Werkstätten, Fabriken, Immobilien- und Straßenbaustellen sowie Werften waren voller ausländischer Arbeiter, die in Containern oder auf dem Seewege ins Land gekommen waren und dabei ihr Leben riskiert hatten. Unterbezahlte, erpressbare Handlanger, die man jederzeit wegjagen konnte, ohne auch nur das Gespenst der Krise zu beschwören. Und dieselben braven Bürger vögelten munter weiter nigerianische Huren und brasilianische Stricher, minderjährige Frauen und Knaben aus allen Ländern Osteuropas.
    Eine einfache Rechnung genügte, um zu verstehen, dass mehr als einer ein doppeltes Spiel spielte, auf der einen Seite laut nach Sicherheit und Ordnung rief, auf der anderen schamlos die Situation der Rechtlosen ausnutzte.
    Überhaupt herrschen im Nordosten die Schlauen. Mehr als früher. Sehr viel mehr als früher. Chefs kleiner Fabriken und Händler mit Autos, Villen, Millioneninvestitionen im Ausland, die in ihrem Leben noch keinen Euro Steuern gezahlt haben. Recycling-Unternehmer, die Tausende Tonnen toxischen Abfalls nach China exportieren, wo daraus Plastikspielzeug für die Kinder der Welt gemacht wird. Andere Bosse desselben Sektors zwingen ausländische Frauen, den Hausmüll mit bloßen Händen zu sortieren.
    Ganz zu schweigen von den Call-Centern, in denen Hunderte italienische Frauen schwarzarbeiten, monatelang keinen Lohn erhalten, aber schweigen, denn wenn man einen arbeitslosen Mann und Kinder zu Hause hat, ist so ein Scheiß-Arbeitsplatz immer noch ein Arbeitsplatz.
    Und ganz zu schweigen von den Unternehmern mit Internet-Sites, auf denen junge Escorts sich anbieten, und Häuser anschaffen, wo die Frauen ihre Freier empfangen, denn Immobilien sind immer noch die beste Investition, auch in Zeiten der Krise.
    Und ganz zu schweigen von den Politikern und Behördenmitarbeitern, die sich genauso schmieren lassen wie eh und je, nur dass sie es heute mit Beraterhonoraren tarnen, und wenn sie doch ertappt werden, erklären sie flugs, es sei ja »das erste Mal« gewesen …
    In Wirklichkeit war die Illegalität, die mittlerweile jeden Bereich des geschäftigen Nordostens durchsetzte, der ideale Nährboden für die organisierte Kriminalität. Die verschiedenen Mafias hatten zugebissen und würden die Beute nun geduldig zerkauen. Und die Abfallentsorgung war zum Treffpunkt zwischen den Schlauen und den Mafiosi geworden. Einzig die Politiker und mit ihnen die Presse und das Lokalfernsehen taten so, als wüssten sie nicht, dass diese Region der Teil Italiens mit der größten Konzentration an kriminellen Organisationen war. Und sie taten nicht nur aus Gründen politischer Opportunität so, denn wenn die Mafias eines begriffen hatten, dann, dass die Geschäfte am besten laufen, wenn man mit allen Akteuren ein gutes Einverständnis erreicht.
    Das brave Wahlvolk begnügte sich mit den Köpfen der Illegalen, denn der Rest – eigentlich das Schlimmere – lief doch ganz gut. Das Geld der Mafias sorgte dafür, dass die Geschäfte liefen, in einer positiven Synergie mit den legalen Aktivitäten. Abschreckender noch als die nächtlichen Patrouillen der Pomadisierten waren die Posten der städtischen Polizei vor den Ambulanzen, die »auch« Illegale behandelten. Das war in mehreren Ortschaften der Provinz vorgefallen, und die Angst begann im Heer der Verzweifelten zu regieren.
    Max tauchte neben mir auf. »Da bin ich«, sagte er.
    »Warum kommst du so spät?«, beschwerte ich mich, während wir den Platz überquerten.
    »Zwölf Minuten. Bei Regen fahre ich gern langsamer.«
    »Es ist gefährlich, mit sechzig über die Autobahn zu schleichen. Irgendein griechischer oder bulgarischer Trucker, der seit zehn Stunden hinterm Steuer sitzt, könnte dir hinten reinfahren.«
    »Warum bist du so mies gelaunt?«
    »Ich fürchte, die zwei Jahre in der Schweiz haben mich verdorben. Ich kann mich nicht damit abfinden, dass dieser Scheiß-Nordosten eine unerträgliche Gegend wird.«
    »Dir gefällt nicht, was du siehst, wenn du dich umschaust, was?«
    »Schlimmer. Ich denke nach, analysiere und finde alles

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