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Bangkok Tattoo

Bangkok Tattoo

Titel: Bangkok Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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Liebhaber gab er sich katzenartig; die kurzen Blicke auf seine Tattoos, während er ihren Körper stumm liebkoste, brannten sich in ihr Gehirn ein. Jede Nacht träumte sie nun von riesigen bunten nagas, Schlangengöttern höchster Sinnlichkeit, und wenn sie tagsüber miteinander schliefen, dachte sie an den Amerikaner, der im Nachbarzimmer in einer Art Trance lag – ein bißchen war das, als wären sie und Ishy die Protagonisten seiner erotischen Opiumträume.
    Zum erstenmal verlagerte sich die Balance der Leidenschaft in ihr Herz. Als Ishy nach Bangkok zurückkehrte, sehnte sie sich nach ihm und redete sich ein, daß er sie brauche, daß allein sie mit ihrer Erfahrung und ihrer Härte diesen Kindmann retten könne, der, niedergedrückt durch die Last seiner gewaltigen Begabung, durchs Leben stolperte. Doch er reagierte nicht auf ihre SMS und E-Mails. So etwas passierte ihr zum erstenmal. Es war ihr nie in den Sinn gekommen, daß ein Mann ihre Liebe nicht erwidern würde. Sie durchlitt die wohlbekannten Stadien der Sehnsucht, Wut und Ohnmacht und gelangte irgendwann zu dem Schluß, daß er nicht antwortete, weil sie schon bald dreißig wurde und/oder eine Nutte war.
    Ihr letzter Versuch, mit ihm in Kontakt zu treten, bestand aus einer SMS folgenden Wortlauts:
     
    Warum zum Teufel meldest Du Dich nicht?
     
    Wieder keine Antwort, doch ein paar Tage später traf ein Umschlag mit einem Blatt Papier ein, auf dem sich in schönster Thai-Kalligraphie ein einziger Satz befand: Weil ich Deiner nicht würdig bin.
    Dazu hatte Ishy einen Teil seines kleinen Fingers gelegt. Die Anspielung auf den holländischen Impressionisten entging ihr, aber nicht die Botschaft, und sie schämte sich ob ihrer eigenen spießbürgerlichen Leidenschaft. Dieser große Künstler war bereit, seine Hände für sie zu opfern, während sie die ganze Zeit nur jammerte. Sofort schickte sie ihm eine nicht ganz logische SMS:
    Ich würde beide Augen dafür geben, Dich wiederzusehen.
     
    Ishys Antwort kam postwendend:
    Du weißt nicht, was Du da von mir verlangst.
     
    Chanya schrieb zurück:
    Egal. Ich will Dich.
     
    Widerstrebend stimmte Ishy einem Treffen in Bangkok zu, allerdings nicht bei sich zu Hause, sondern in einer Bar an der Sukhumvit Road. Chanya, die sein Verhalten nicht verstand, es aber deshalb um so reizvoller fand, war zu früh dran, trank zur Beruhigung drei Tequila und bekam Schmetterlinge im Bauch, als das schüchterne Genie das Lokal betrat, Sake bestellte und sich neben sie setzte. Was war los? Ishys Augen brannten vor Begierde nach ihr, aber er weigerte sich, sie in seine Wohnung mitzunehmen. Er versuchte, es ihr zu erklären, doch sein Stottern war schlimmer denn je. Erst nach dem Genuß von drei Flaschen Sake konnte er sich verständlich machen, aber inzwischen waren sie beide zu geil für Gespräche.
    »Ich kenne ein Stundenhotel gleich um die Ecke«, gestand sie ihm.
    »Ich hab kein Geld.«
    »Mach dir keine Gedanken, ich zahle schon.«
    In dem verspiegelten Zimmer legte sie ihn aufs Bett, bedeckte seinen tätowierten Körper mit dem ihren und machte ihn sich zu eigen, wie so viele Männer es mit ihrem Körper getan hatten. Zum erstenmal begriff sie das männliche Bedürfnis, einen anderen Menschen durch Sex ganz und gar zu besitzen, und somit auch Mitch.
    Sie erinnerte sich hinterher nicht, wie lange sie sich liebten – es kam ihr vor wie der ganze Nachmittag. Von Zeit zu Zeit ließ sie warmen Sake für ihn und kaltes Bier für sich aufs Zimmer bringen. Sie schienen eine Lust zu befriedigen, die sich ein ganzes Leben lang angestaut hatte. Als sich ihre Leidenschaft schließlich erschöpfte, begannen sie, sich zu unterhalten. Inzwischen hatte Ishy genug getrunken, um nicht mehr zu stottern. Wenn sie in den Deckenspiegel schaute, sah sie eine nackte Frau neben einem Außerirdischen. Warum der Anblick sie tröstete, wußte sie nicht; sie ahnte nur, daß er in diesem Moment ihre männliche Seite repräsentierte. Für sie gab es genausowenig eine Gesellschaft menschlicher Wesen, der sie hätte angehören wollen, wie für ihn. Sie erkannte lediglich ein zerrissenes Netz aus Heuchelei, das man am besten mied.
    Ishy erklärte ihr, daß nur die Arbeit es ihm zeitweise ermögliche, seinem Gefühl der Unzulänglichkeit zu entfliehen, das seinen lebenslangen Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen entspringe. Aber was geschah, wenn es wie so oft keine Arbeit gab? Wenn er mehr als einen Tag lang nicht tätowierte, litt er Qualen und hatte

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