Bangkok Tattoo
passieren wird, Umarmungen nur ungern gefallen lassen. Hier geht es darum, das Gesicht zu wahren.)
Mein Ziel ist ein Gebäude, das von Sicherheitsleuten mit Handschellen und Schlagstöcken am Gürtel bewacht wird. Zwei von ihnen spielen an einem improvisierten Tisch mit Flaschenverschlüssen Dame. Ich zeige ihnen meinen Ausweis und fahre mit dem Lift hinauf.
Eine unauffällige Tür eröffnet mir eine fremde Welt. Ich zähle acht parallel in merkwürdigem Winkel ausgerichtete Gebetsteppiche in üppigen Grün- und Goldtönen mit ausschließlich geometrischen Mustern, als der junge Mann aus der Bar mich einläßt. Sein Habitus zeugt von der arabischen Tradition der Gastfreundschaft (die Kritik stellt er fürs erste hintan; im Moment ist er ganz aufmerksamer Gastgeber). Er ringt sich sogar ein wai ab, das ich erwidere. Allerdings bin ich abgelenkt durch den zweiten Anwesenden, einen Mann um die Sechzig mit langem Gewand und Käppchen, der sich von seinem Stuhl erhebt, um mich ebenfalls mit einem wai zu begrüßen. Ich tue es ihm gleich. Beim wai- Gruß , geht es um mehr als nur darum, die Hände aneinanderzulegen und an die Stirn zu heben; er umfaßt eine ganze Sprache mit eigenem Alphabet. Menschen, die den Pfad der Spiritualität beschreiten, besitzen die Fähigkeit, den Rang des Gegenübers zu erkennen, und dieser Imam beeindruckt mich auf den ersten Blick. (Er ist schlank und hält sich gerade, und in seinen kohlschwarzen Augen liegen Tiefe und Feuer.) Ich hebe meine aneinandergelegten Hände bis ganz hoch zur Stirn und verharre einen Moment lang so. Dieses Zeichen der Ehrerbietung gefällt dem jungen Mann. (Eigentlich müßte ein buddhistischer Polizist einem Moslem aus dem Süden, egal, wieviel älter der ist als er selbst, keinen solchen Respekt erweisen.)
»Willkommen, Fremder. Unser Haus ist dein Haus.«
Der alte Mann spricht diese traditionelle Begrüßungsformel in dem machtvollen Flüstern, das ich schon vom Telefon her kenne, und nickt dem jungen Mann zu.
»Mein Name ist Mustafa Jaema«, sagt dieser, »und das ist mein Vater, der Imam Nusee Jaema.«
Ich mache kein Hehl aus meiner Überraschung. Obwohl es nur wenige Fotos von Nusee Jaema gibt, wird er in den Nachrichten oft als moderate Stimme aus dem tiefen Süden zitiert, die sowohl von den Buddhisten als auch von seinen moslemischen Glaubensgenossen gehört wird. Manche sind sogar der Ansicht, er allein verhindere den drohenden Aufstand – vorerst. Mir ist bekannt, daß er in Songai Kolok lebt, einem Ort ganz unten im Süden.
»Ich bin Detective Sonchai Jitpleecheep«, sage ich, »aber das wissen Sie ja bereits.«
»Setzen wir uns doch«, sagt der Imam und läßt sich elegant im Schneidersitz auf einem der Gebetsteppiche nieder. Sein Sohn und ich tun es ihm gleich.
»Bitte haben Sie keine Angst«, sagt Mustafa.
Der Imam hebt eine Hand. »Sie müssen meinem Sohn verzeihen. Er denkt an den Amerikaner, Mr. Mitch Turner.« Und an Mustafa gewandt: »Der ehrenwerte Detective hat keine Angst, dafür besitzt er eine zu ausgeprägte Intuition, und außerdem hält sich außer uns dreien niemand hier auf.« Wieder zu mir: »Wir haben die anderen gebeten, uns nicht zu stören. Leider verschrecken zu viele Moslems in einem Raum Buddhisten heutzutage wohl, nicht wahr, Detective?« Ich zucke mit den Achseln. Er mustert mich einen Moment lang. »Ich danke Allah, daß er uns in Ihnen einen Mann geschickt hat.« Ein hastiger Blick von seinem Sohn. »Aber kommen wir zur Sache, wie die Amerikaner sagen. Warum sind wir hier? Warum haben wir Sie eingeladen? Mustafa, erklär dem Detective alles.«
In Gegenwart seines Vaters wirkt Mustafa befangen und gerät ins Stottern. »Wie Sie wissen, liegt Songai Kolok an der malaysischen Grenze, wo praktisch die Hälfte aller Computerteile weltweit gefertigt wird.« Ein Blick in Richtung des alten Mannes. »Wir haben den Amerikaner beobachtet und sind ihm hierher gefolgt.«
Der alte Mann seufzt. »Die Jungen beginnen immer am Ende und arbeiten sich zum Anfang vor. Von vorne, Mustafa, bitte.«
Ich sehe, wie Mustafa versucht sich zusammenzureißen. »Wir kannten Mitch Turner, wie alle in Songai Kolok. Genau das war sein Problem. Und unseres auch.«
Ich erwarte eine weitere Unterbrechung durch den alten Mann, doch beide sehen mich nur fragend an. Begreife ich? Wie clever bin ich? So clever, daß sie mir vertrauen können?
Der Imam hüstelt. »Ich glaube, wir müssen einen Mann mit so feinem Gespür nicht mit
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