Bangkok Tattoo
ihre Herstellung illustrieren.
»Er sprach fließend Japanisch«, erklärt Mustafa. »Vermutlich war das die Qualifikation, die ihn für die CIA so interessant machte. Außerdem hatte er japanische Freunde.«
Endlich zeigt Mustafa offen den Abscheu, den er seit dem Betreten der Wohnung verspürt. »Wie können sich solche Kinder Hoffnungen auf die Führung der Welt machen? Sehen Sie sich seine Bücher und sein Leben an. Er war ein dreißigjähriger Teenager, der Kultur aus dem Supermarkt bezog: Samuraigeschichten aus Japan, eine Nutte aus Bangkok, ein bißchen Christentum hier, eine Prise Islam dort, wenn er nicht gerade auf der Jagd nach Spinnen war oder Opium rauchte.« Er sieht aus, als wollte er gleich ausspucken.
»Er hat Opium geraucht?«
Mustafa brummt etwas, ist nicht bereit, mehr zu verraten.
Ich folge ihm durch die anderen Räume der Wohnung, wo er sich verächtlich umsieht. Auf einem Bord an der hinteren Wand des Gästezimmers entdecken wir ein Terrarium. Mustafa schaut kopfschüttelnd hinein. »Verhungert.« Auch ich riskiere einen Blick: vertrocknete Leichen haariger Taranteln, ein Skorpion mit Jungen auf dem Rücken, tote Spinnen in ihren Netzen.
In einem Schrank findet Mustafa ein billiges Supermarktteleskop. Unser Gedankenaustausch grenzt an Telepathie. Mitch Turner hätte sicher ein qualitativ hochwertiges Gerät von der CIA erbitten können. Wozu brauchte er dieses?
»Damit hat er beobachtet, was sich rund ums Polizeirevier tat«, brummt Mustafa.
Wir entdecken keine weiteren Hinweise auf den Grund für Mitch Turners gewaltsamen Tod. In der Wohnung befindet sich kein Notebook, doch von Mustafa erfahre ich, daß Turner beim Verlassen des Apartments immer einen Laptop mit sich führte, vermutlich, weil er Anweisung hatte, ihn jedesmal in einen Banksafe zu schließen. Recht viel mehr können wir an diesem Abend nicht ausrichten, also verlassen wir die Wohnung, und Mustafa verschließt die Tür.
Draußen ist das Nachtleben in vollem Gange: überall Discomusik und Neonlichter von billigen Absteigen. Ein großgewachsener, grobknochiger Malaie Ende Dreißig dirigiert drei Mädchen in sein Hotel, an dem wir gerade vorbeigehen. Drei? Ich werfe Mustafa einen Blick zu, aber der weilt wieder mal in dem Raum, in den er sich zurückzieht, wenn er inakzeptable Aspekte der Realität ausblenden möchte. Ich frage mich, ob er diese ausgesprochen attraktiven jungen Frauen überhaupt wahrgenommen hat, die sich gut zu amüsieren scheinen. Vermutlich würde er sie als das Böse schlechthin, als verführerische Emissärinnen Satans interpretieren. Nun, es sieht ganz so aus, als würden der Malaie und die Mädchen sich die nächsten paar Stunden bestens vergnügen und danach den Schlaf des Gerechten schlummern. Ich erkläre Mustafa nicht, daß die Frauen in diesem Gewerbe die Arbeitslast gern auf mehrere Schultern verteilen und dafür manchmal sogar einen Aufpreis verlangen. Außerdem ist es amüsant, eine Freundin oder Kollegin dabeizuhaben, mit der man sich in der eigenen Sprache unterhält, während man den Kunden bedient. Die Mädchen vom Land erinnert das an die Reisernte, bei der alle zupacken müssen, wo viel geplaudert und geflirtet wird und man sich zum Zeitvertreib Witze erzählt. Ich stelle mir den großen dunklen Malaien wie ein Reisfeld vor, das die Frauen bearbeiten, während sie sich über seine Erektion hinweg über die Dollar-Baht-Wechselkurse unterhalten. Mustafa, der den simplen Tanz des Lebens und seine Absurdität so entschieden ablehnt, tut mir leid. Gleichzeitig frage ich mich, wie Mitch Turner, der verwirrte amerikanische Spion, das alles sah.
Wir können kein Café mit freien Plätzen für ein ungestörtes Gespräch finden, also landen wir im Foyer meines Hotels, das mittlerweile zum Vorraum für ein riesiges Bordell umfunktioniert wurde. Auf allen Sofas sitzen Mädchen, denen sich dunkelhäutige junge Männer mit schmalen Schnurrbärten nähern. Der Deal unterscheidet sich insofern von dem bei den farangs, als er sehr schnell vonstatten geht, üblicherweise innerhalb von fünf Minuten. Hier gibt es keine romantische Annäherung, es handelt sich eher um eine geschäftliche Transaktion asiatischen Stils. Die Frauen sind damit zufrieden, weil sie so möglicherweise mehr als einen Freier pro Nacht unterbringen. Manche Paare machen sich sofort auf den Weg zum Aufzug, doch die meisten schlendern hinaus auf die Straße, um eine Disco aufzusuchen, wo der junge Verehrer sein Karaokegeschick
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