Bangkok Tattoo
habe soeben einen Moment der Schwäche erlebt. Es ist besser, wenn ich noch ein bißchen hierbleibe. Ich muß doch alles sehen, nicht wahr?«
»Ja.« Mehr ist tatsächlich nicht zu sagen.
29
Unter normalen Umständen wäre der Old Man’s Club wohl nicht der Ort der Wahl für so ernste Verhandlungen, aber etwas Besseres haben wir nicht zu bieten. Die CIA-Agenten, die sich nicht in offiziellem Auftrag hier aufhalten, besitzen kein Büro, niemand will das Gespräch in einem Hotelzimmer abwickeln, und das Polizeirevier von District 8 eignet sich auch nicht. Ich bin nur anwesend, weil Vikorn einen Dolmetscher benötigt, auf dessen Diskretion er sich verlassen kann. Chanya ist mit von der Partie, um ihre Unschuld zu beweisen. (Den gestrigen Tag hat sie vollständig mit Vikorn in dessen Büro verbracht.) Und meine Mutter macht mit, weil der Club ihr gehört und sie die Verhandlungen um keinen Preis der Welt versäumen möchte.
Obwohl Hudson und Bright Chanyas in Original und englischer Übersetzung vorliegendes Geständnis, das Vikorn diktierte und ich notierte, bereits mehrfach gelesen haben, überfliegen sie es noch einmal. Sie heben den Blick gleichzeitig, und der junge, eifrige Bright macht als erster den Mund auf. Überraschend wendet er sich an mich, und zwar nicht in meiner Funktion als Dolmetscher, sondern in der als Schreiber.
»Sie waren bei der Aufnahme des Geständnisses zugegen, Detective?«
»Ja.«
»Sie haben es schriftlich niedergelegt?«
»Ja.«
»In Anwesenheit von Colonel Vikorn?«
»Ja.«
»Und dies sind die Worte von Ms. Chanya Phongchit?«
»Genau.«
»Fanden Sie irgend etwas an ihrer Geschichte merkwürdig?«
»Nein. Sie dürfen nicht vergessen …«
Er winkt ab. »Ich weiß, ich weiß, wir sind hier in Bangkok, wo solche Dinge die ganze Zeit passieren. Lassen Sie mich zur Sache kommen.« Er beugt sich vor, die Oberschenkel durch seine prächtigen Hoden gespreizt. »Detective, hatten Sie jemals Geschlechtsverkehr?«
Ich schweige einen Moment verblüfft. »Nun, von Zeit zu Zeit habe ich das Glück, ja.«
»Und hatten Sie auch das Glück, es einmal von hinten zu versuchen? Egal, welchen Teil der weiblichen Anatomie Sie persönlich als den interessantesten erachten – konzentrieren wir uns einfach mal auf die Stellung.«
Chanya unterdrückt ein Grinsen, meine Mutter sieht stirnrunzelnd zuerst mich, dann den Colonel an. Wahrscheinlich hat sie als erste erkannt, worauf Bright hinaus will. Der Colonel versteht kein Wort.
»Ja. Es ist nicht meine bevorzugte …«
Wieder winkt er ab. »Ersparen Sie uns Ihre Kommentare, Detective. Ich möchte Sie lieber etwas anderes fragen: Als Sie sich in der glücklichen Situation befanden, es von hinten zu versuchen, fiel Ihnen da auf, daß Ihre Oberschenkel sich an die Rückseite der Dame preßten? Unverblümt ausgedrückt, Detective: Wenn Sie nicht gerade einen dreißig Zentimeter langen Pimmel Ihr eigen nennen, bleibt Ihr Körper während der Penetration in einer solchen Stellung die meiste Zeit dicht an dem der Frau, nicht wahr?«
Mir sinkt der Mut, und meine Mutter wendet angewidert darüber, daß dem Colonel und mir (ihrem Sohn) ein solcher Fehler unterlaufen konnte, den Blick ab. Nur Chanya läßt sich nicht aus der Ruhe bringen. Auf Vikorns Anweisung hin übersetze ich die bisherigen Ausführungen. Zu meiner Überraschung gerät auch er nicht aus der Fassung, sondern reagiert mit einem gütigen Lächeln. Ich sollte vielleicht erwähnen, daß er seit dem Eintreffen der CIA-Leute die Rolle des korrupten, inkompetenten und nicht besonders hellen Dritte-Welt-Cops spielt, wie jeder farang ihn sich vorstellt. Seine linke Hand zittert ein wenig, und auf dem Tisch neben seinem Stuhl steht eine halbleere Flasche Mekong-Whiskey. Heute morgen hat er sich nicht rasiert; sein Kinn zieren graue Stoppeln. Mit anderen Worten: Der Meister hat sich mit ein paar kleinen Veränderungen in eine völlig andere Person verwandelt, was man als erstaunliche Leistung bewerten muß, weil er tatsächlich ein dekadenter Dritte-Welt-Cop ist, wenn auch aus einer völlig anderen Liga. Jeder Narr kann das Gegenteil seines Charakters spielen, aber in die Persönlichkeit zu schlüpfen, die nur ein paar Nuancen von der eigenen entfernt ist – das beweist meiner bescheidenen Meinung nach Genie. Bright hat ihn bisher mit übertriebener Verachtung gestraft, denn wir verhalten uns genau wie erwartet. Hudsons Körpersprache hingegen wirkt noch immer unverbindlich. Bright ist nicht
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