Bangkok Tattoo
Bright an. »Habe ich irgendwas vergessen?«
Bright bedenkt mich mit einem eindringlichen Blick. (Er möchte sichergehen, daß ich auch wirklich verstehe, was er sagt.) »Wir Amerikaner befinden uns im Krieg, und wir lassen unsere Toten nicht auf dem Feld zurück, so einfach ist das. Also liegt es im Interesse aller Beteiligten, die Kaschierungsversuche aufzugeben und zu kooperieren, damit der oder die Tatverdächtige vor Gericht gebracht werden kann, denn wir werden der Sache auf jeden Fall nachgehen, egal, was passiert.« Aus den Augenwinkeln nehme ich wahr, daß Hudson immerhin genug Anstand besitzt zusammenzuzucken. »Ich hoffe, Sie verstehen, was ich damit sagen möchte, Detective?«
Ich tue ihm den Gefallen und reagiere mit ängstlicher Dritte-Welt-Ehrfurcht, als Nat auftaucht und lächelnd fragt, ob jemand etwas zu trinken möchte. Bright ist alles andere als erfreut über die Unterbrechung und zischt »Wasser«, doch dann hebt er den Blick. Sie trägt ein relativ züchtig geschnittenes knielanges weißes Baumwollkleid, das allerdings ein wenig nach oben rutscht, als sie sich vorbeugt, und darunter scheint sie nackt zu sein. Der Kontrast zwischen dem strahlend weißen Stoff und den cremig braunen Armen, Beinen und Schultern läßt Bright nicht kalt. Der Kontakt ist aufgenommen.
»Ich hätte gern eine Cola, wenn’s Ihnen nichts ausmacht«, sagt Hudson erstaunlich höflich. (Vermutlich macht er sich Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr Nongs.)
Ich schüttle lächelnd den Kopf, und Nat grüßt artig mit einem wai in Richtung Hudson und Bright. Bright kämpft gegen seine Verwirrung an und gewinnt. »Ich glaube, der Detective kann bestätigen, daß wir uns alle einig sind.«
»Worüber?« frage ich lächelnd.
»Ja«, pflichtet Hudson mir bei. »Worum geht’s im Moment?« Wieso habe ich das Gefühl, daß diese beiden Partner nicht die allerharmonischste Beziehung pflegen?
Bright wird tiefrot. »Ich wollte nur …«
»Ich weiß, was Sie wollten. Thailand ist unser vermutlich bester Verbündeter in diesem Teil der Welt. Wenn der Präsident unbedingt alle unsere internationalen Freundschaften ruinieren möchte, ist das seine Sache, aber Sie sind nicht der Präsident.« Er sieht aus, als wollte er noch etwas sagen, hält jedoch den Mund. Ich erwarte, daß Bright in die Luft geht, Hudson vielleicht mit seiner Magnum abknallt, aber er schmollt. Hudson beugt sich ein wenig zu mir vor. »Detective, wir können uns doch denken, was passiert ist. Sie wissen, wer wir sind. Warum sind wir hier? Weil die Organisation, für die wir arbeiten, erst ruhen wird, wenn das Verschwinden von Mitch Turner geklärt ist. Bis dahin kann niemand offiziell sagen, ob es sich um internationalen Terrorismus, ein Verbrechen aus Leidenschaft, einen mißglückten Überfall oder was auch immer handelt. Verstehen Sie, was ich meine? Wenn da etwas zwischen Turner und einem Ihrer Mädchen war, wenn nicht mehr dahintersteckt, wenn es mildernde Umstände gibt, was zu vermuten ist, denn schließlich war er ein kräftiger Mann … Wir glauben, daß er an einem Samstagabend verschwand; es ist bekannt, daß er Alkohol nicht sonderlich gut vertrug; er hätte sich überhaupt nicht in Bangkok aufhalten dürfen. Begreifen Sie, worauf ich hinaus will? Möglicherweise ließe sich Totschlag, vielleicht sogar Notwehr heraushandeln. Wir müßten die Angelegenheit nur auf die eine oder andere Weise klären. Einen nicht abgeschlossenen Fall können wir uns nicht leisten, nicht in Kriegszeiten, und schon gar nicht bei jemandem wie Mitch Turner. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns helfen. Bitte.«
Jetzt kommt Nat mit Wasser und Cola. Als sie sich beim Einschenken über Hudson beugt, gewährt sie Bright, der nach der Rüge Hudsons reif für eine kleine Ablenkung ist, einen Einblick in ihr Dekolleté. Er ertappt sich dabei, wie er sie anstarrt. Als er den Blick hebt, stellt er fest, daß sie ihn erwidert. Wieder wird er rot. Kontakt Nummer zwei.
»Verstehe«, sage ich, nicht ganz sicher, was ich tun soll. Die Situation verlangt nach den Fähigkeiten eines Colonel Vikorn. Was weiß ein verkannter Mönch schon? Spielen wir dreidimensionales Schach, oder bluffen wir? »Das Problem ist nur, daß ich keine Entscheidungsgewalt besitze.«
Hudson wirkt abgelenkt. Er ist kein Narr, und Nats Reize sind ihm, wie gesagt, nicht entgangen. Er und ich beobachten mit fast schon klinischem Interesse, wie sie sich über Bright beugt, um ihm sein Wasser einzuschenken,
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