Bangkok Tattoo
Thailand bewußt, die die Veröffentlichung eines solchen Falles nach sich zöge.« Er sieht Bright an. »Ich denke, es wird eine Weile dauern, bis wir die Sache genau analysiert haben. Es stehen Diskussionen auf höchster Ebene an, bestimmt auch mit Vertretern des Heimatschutzes, vielleicht sogar mit dem Präsidenten höchstpersönlich. Alle Beamten, die damit zu tun haben, werden besondere Aufmerksamkeit erregen.« Ein Lächeln. »Hoffentlich positive.«
Bright nickt nachdenklich; seine Einstellung beginnt sich zu ändern. Plötzlich schüttelt er Chanya die Hand, nennt sie und meine Mutter ma’ am und macht sich höflich und sogar ein wenig dankbar auf den Weg zur Tür.
Als sie weg sind, stelle ich Vikorn zur Rede. »Sie haben den Schwarzen Peter den Moslems zugeschoben. Das könnte einen Krieg auslösen.«
Er schüttelt den Kopf. »Werd endlich erwachsen, Sonchai. Ich weiß doch, wie zartbesaitet du bist, und habe bei den Indonesiern nachgefragt. Keiner von deinen neuen Freunden in Songai Kolok wird in die Sache hineingezogen.«
Als ich Mustafa anrufe, versuche ich, ihm die Sachlage genau so zu erklären, wie Vikorn sie mir erklärt hat. »Aber er gibt Moslems die Schuld«, sagt Mustafa und legt auf.
30
Falls du’s noch nicht gemerkt hast, farang, das war das Ende der Haupthandlung. (Du weißt schon, die Vertuschungsstory. Aber keine Sorge, ich habe das Gefühl, da kommt noch etwas nach.) Vikorn rechnete natürlich nicht damit, daß man ihm seine Lügengeschichte abkaufen würde, und wie wir alle wissen, läuft es im Spionagewesen sowieso nicht so. Glaube ist etwas für Chorknaben. Besser eignet sich (offenbar) eher eine absurd komplizierte Finte, die einen eindeutigen Schluß in die eine oder andere Richtung völlig unmöglich macht, jedoch eine Chance auf Beförderung eröffnet. (Dir muß ich das wahrscheinlich nicht erklären, farang, denn du hast dieses Spiel ja erfunden, nicht wahr?) Ich schätze, Chanya hat in den nächsten paar Jahrzehnten, in denen sie über die Geschichte nachgrübeln, nichts zu befürchten. Ist Vikorn nicht manchmal atemberaubend?
Als Folge des Ganzen laufen die Geschäfte im Moment ein bißchen gemächlicher, und mich fasziniert die gemütliche Familienatmosphäre, die sich dank Hudson und Bright während der letzten Woche im Club eingestellt hat.
Wenden wir uns zuerst Bright zu. Nat vertraut meiner Mutter an, daß er sich eigentlich als ganz ordentlicher Junge entpuppt. Durch Nats offensichtliche Zweifel an seiner Männlichkeit ist sein Ego ziemlich angeschlagen, und so haben wir es mit einem nagelneuen Stephen zu tun, der ihr unmittelbar nach dem Koitus beim dritten Treffen gesteht, daß er sich gar nicht als der große, harte Patriot begreift, der er zu sein scheint. (Nicht? ruft Nat schockiert aus; Nein, antwortet er in einem Tonfall, der verrät, daß er es verstehen kann, wenn manche Leute ihm das nicht sofort glauben.) Au contraire, wie der gute Truffaut immer sagte: Der arme Junge hat sein Päckchen zu tragen an einer besonders häßlichen Scheidung, bei der seine Frau – natürlich völlig aus der Luft gegriffen – behauptete, er habe sie schlecht behandelt, um das Haus, den Wagen, das Bankkonto und das Sorgerecht für ihre kleine Tochter zu erhalten, die er nur hin und wieder und nie allein sehen darf.
Wir verfolgen interessiert die Phase mit, in der er nicht so genau weiß, ob er den Schein aufrechterhalten soll oder nicht (oder besser gesagt, für wen; ich darf innerhalb einer kurzen Stunde sowohl seinen hochaufgerichteten Testosterongang als auch ein trauriges Schlurfen miterleben), aber dank unserer Thai-Therapie braucht er lediglich eine Woche, um in den Schoß der Menschenfamilie zurückzukehren. Nun trifft er jeden Abend um Punkt acht hier ein, zahlt Nats Auslöse und führt sie nach oben, wo sie ihn durch einen Orgasmus mit allem Drum und Dran belohnt. (Wir können sie hier unten in der Bar hören, wenn wir die Stereoanlage leiser drehen. Bright weiß das natürlich, weil Hudson es ihm erzählt hat, aber durch mein Land und die hiesigen Frauen von seiner Hybris geheilt, kehrt der gute Junge mit einem dankbaren Strahlen auf seinem kantignordischen Gesicht von seinen Heldentaten wieder.) Nat hat mich gebeten, Vikorn zu fragen, wieviel amerikanische Agenten heutzutage so verdienen.
Bei Hudson jedoch sieht die Sache ganz anders aus – vielschichtig und facettenreich. Allerdings muß ich zugeben, daß ich keinen Asiaten kenne, der Tag für Tag mit so vielen
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