Bangkok Tattoo
eine Kampagne gegen Kinderarbeit in einer nordthailändischen Fabrik initiierte, Druck auf einen großen Sportartikelhersteller ausübte, worauf dieser seine Aufträge stornierte, und so zur Schließung des Werks beitrug. Nun müssen die Eltern der arbeitslosen Kinder ihre Töchter in die malaysische Prostitution verkaufen, um die Versorgungslücke zu füllen.
Als wir uns dem Revier nähern, ziehe ich die Stöpsel aus den Ohren. Gestern klang Vikorn irgendwie seltsam. Eine höherrangige CIA-Agentin ist eingetroffen, offenbar um auf den Tisch zu hauen, denn die angebliche Al-Qaida-Verbindung hat den Speichelfluß bei der Agency verstärkt. Allzugut stehen die Dinge heute nicht.
Die CIA-Frau, eine gut erhaltene Vierzigerin, ist großgewachsen, durchtrainiert, um die eins achtzig, schlank und hält sich militärisch gerade, obwohl ihr Gesicht und Nacken angespannt wirken wie so oft bei zwanghaften Joggern. Ihr Haar ist sehr kurz, grau und steht ihr stachelig vom Kopf ab; gehen Hudson und sie zum selben Friseur? Sie verschwendet kein Geld und keine Zeit für Kosmetik. Die Frau trägt einen grauen Hosenanzug mit ziemlich weitem Unterteil. Wir befinden uns in Vikorns Büro, aber sie tut gerade so, als wäre es das ihre.
Vikorn überläßt ihr kuschend, zumindest fürs erste, die Initiative. Eine Frau hat er nun wirklich nicht erwartet. Beim Reden marschiert sie, die Hände in den Hosentaschen, nachdenklich auf und ab. Sie strahlt die Überlegenheit einer älteren Bibliothekarin mit Schlüssel zum Giftschrank aus. Hudson rutscht unruhig auf seinem Sitz herum. Bright wurde erst gar nicht hergebeten. Niemand fällt dieser Frau ins Wort. Ich übersetze ihre Ausführungen mit gesenkter Stimme, um sie nicht bei der Entwicklung ihrer Gedankengänge zu stören. In der Ausbildung – vielleicht sogar im selben Kurs, in dem sie den unbewaffneten Kampf lernte? – hat man ihr beigebracht, immer wieder ohne ersichtlichen Grund zu lächeln.
»Das ist eine ernste Sache, meine Herren. Detective, ich möchte Ihnen und Ihrem Colonel für die vorliegenden Beweise danken. Wir haben es hier mit einer neuen, überraschenden Stoßrichtung von Al-Qaida zu tun. Die Kastration war uns bisher als Vergeltungsmaßnahme nicht bekannt, aber aus Sicht der Terroristen ergibt sie natürlich Sinn.« Sie schweigt einen Augenblick, runzelt die Stirn, fährt fort: »Vermutlich handelt es sich um einen Racheakt für Abu Ghraib. Wie sieht die Welt, besonders die moslemische, Amerika? Als eine Art Supermannkarikatur – Betonung auf ›Mann‹ –, als supermaskuline, macht- und virilitätsbesessene Gesellschaft. Wenn die Moslems beginnen, die Geschlechtsteile ihrer männlichen Opfer abzuschneiden, ist das eine deutliche Botschaft an die Jungen, die Unwissenden und die Fanatiker. Übrigens benutzten die Ching-Kaiser genau die gleiche Methode der Einschüchterung: Sie kastrierten ihre Kriegsgefangenen. Wie Sie sich vorstellen können, minderte das die Gefechtsmoral des Feindes beträchtlich. Das ist clever, sehr clever. Solche Akte können nicht ungesühnt bleiben.«
Hudson brummt etwas. Die CIA-Frau stützt sich mit dem Hinterteil an der Wand ab und nickt ihm kühl, aber kollegial zu, bevor sie sich mir zuwendet. »Haben Sie das alles übersetzt? Rede ich zu schnell? Es tut mir leid, daß ich kein Thai spreche; außer Englisch beherrsche ich nun mal nur Hocharabisch, Spanisch und Russisch.«
Ich gebe die Frage an Vikorn weiter, der ihr zum erstenmal in die Augen sieht, bevor er mich anweist: »Frag sie nach ihrer Gehaltsstufe bei der U.S. Army.«
Sie bedenkt mich mit einem kurzen, herablassenden Lächeln ob dieser typischen Dritte-Welt-Frage. »Sagen Sie Ihrem Colonel, ich bin nicht in der Army.«
»Das weiß ich«, erwidert Vikorn gereizt. »Aber sie wird nach dem gleichen Schema bezahlt. Auf welchem Rang ist sie eingestuft? Das war Thema Nummer eins in Laos.«
Sie wirft Hudson einen eisigen Blick zu. »Es geht schneller, wenn Sie die Frage einfach beantworten«, rät Hudson ihr mit gesenktem Kopf.
»Das ist inzwischen anders organisiert«, erklärt sie mir und fügt bewußt langsam hinzu: »Ihr Colonel bezieht sich auf die Situation vor dreißig Jahren, als die Agency einen verdeckten Krieg führte und die Gehaltsstufen deshalb denen beim Militär vergleichbar waren.«
»Schön und gut«, sagt Vikorn und sucht in seiner Schreibtischschublade herum, »aber welche Stufe hat sie nun?« Er holt ein Blatt Papier heraus und studiert es.
Sie steckt diese
Weitere Kostenlose Bücher